Die Dubliner Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen fand es in ihrer Studie „New Forms of Work Organisation“ heraus: 90 % der befragten 5´800 Unternehmen aus europäischen Ländern, die ihre Arbeitsorganisation auf Gruppenarbeit umgestellt hatten, gaben an, die Qualität ihrer Produkte verbessert zu haben, 60% senkten ihre Kosten, über die Hälfte steigerten ihre Produktion. Deutschland im Rückstand Deutschland erscheint, was die Einführung von Gruppenarbeit anbelangt, als Entwicklungsland. Nur 8 % der Unternehmen haben Gruppenarbeit eingeführt, in den U.S.A. sind es 5-mal so viele. In Europa rangieren die Deutschen noch hinter den Holländern, Dänen und Schweden (Ruth Herschens, »Große Lücke«, Wirtschaftswoche 13/98). Was die Einführung von Gruppenarbeit zum Beispiel bringen kann, zeigt das Beispiel der Zuffenhauser Porsche AG. Die 8-10 Personen umfassenden Verbesserungsteams (Qualitätszirkel), die sich einmal wöchentlich ausserhalb der Arbeitszeit treffen, entwickeln Verbesserungs-Vorschläge zu vier Zielen: Qualität, Kosten, Lieferservice, Motivation. Im Jahr 1992 legten die Porsche-Mitarbeiter gerade einmal 500 Verbesserungsideen vor, 1997 waren es 59´ 000! Mitarbeiter als Verteidiger und Gestalter ihres Arbeitsplatzes schaffen die Grundlage für einen weltweiten Wettbewerbserfolg. Hier sind erhebliche Anstrengungen nötig.
Laut Jahresbericht des Internationalen Instituts für Management-Entwicklung in Lausanne 1998 lag Deutschland im internationalen Vergleich mit Platz 14 im Mittelfeld der verglichenen 46 Nationen nach den Niederlanden, der Schweiz, Luxemburg und Großbritannien, aber noch vor Frankreich, das den 21. Rang erreichte.
Gruppenarbeit nur bei Automobilbauern, nur in der Produktion?
Eindrucksvolle Erfolge sind durch Teamorientierung und Gruppenarbeit auch bei Hörakustikern möglich.
Erfolge durch Gruppenarbeit
Gerade das Beispiel Porsche zeigt, dass Gruppenarbeit zum mindesten im Bereich der innerbetrieblichen Verbesserungen möglich und auch ausser- ordentlich erfolgreich sein kann, wobei gerade in Deutschland die besten Voraussetzungen für die Arbeit von schlagkräftigen Teams gegeben sind: Die gute Ausbildung und hohe fachliche Oualifikation der Mitarbeiter. Gruppenarbeit erhöht die Motivation und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, steigert die Produktivität und verbessert letztlich die Kundenzufriedenheit.
Teamarbeit wird durchwegs von den Mitarbeitern gewünscht. Nach dem Ergebnis der Betriebsklima-Untersuchung des infas-Institus im Auftrag der Betriebskrankenkassen 1995 rangieren bei den Faktoren für ein gutes Betriebsklima „Teamgeist“ und „Kooperation der Kollegen“ in der Spitzengruppe, besonders in der Altersgruppe bis zu 24 Jahren.
Handlungs-, Planungs- und Kontroll-Möglichkeiten
Stark autonome Gruppen werden besonders vom Management positiv gesehen, so eines der Ergebnisse der Dubliner Studie. Je eigenständiger die Mitarbeiter, desto besser die Ergebnisse für das Unternehmen.
Eigenständigkeit des Teams bedeutet Verantwortung für eine gemeinsame Aufgabe, also Handlungsfähigkeit, aber auch Planungs-, Organisations- und letztlich Kontrollmöglichkeiten. Teams, die gemeinsam handeln sollen, müssen auch ihre Handlungen planen und organisieren, sowie die Ergebnisse letztlich kontrollieren können. Diese Konsequenz scheuen viele Führungskräfte – Hauptgrund, warum gerade in Deutschland die Gruppenarbeit als Form der Arbeitsorganisation so zögerlich eingeführt wird.
Angst vor Machtverlust
Es ist der Glaube vieler Manager an die eigene Alleinfähigkeit zur Planung und Kontrolle, die dem „Empowerment“ (der Bevollmächtigung) der Mitarbeiter gegenübersteht. Es ist die Angst vor dem Verlust von Macht, die Furcht, wenn man dem Mitarbeiter etwas gibt, gleichzeitig selbst etwas aufgeben zu müssen, letztlich sogar durch „Aufgabenverlust“ überflüssig zu werden.
In der Tat: In Unternehmen, die Gruppenarbeit – mit allen Konsequenzen – eingeführt haben, konnte die Zahl der Hierarchie-Ebenen zum Teil um die Hälfte vermindert werden. Das muss aber nicht bedeuten, dass Führungskräfte „freigesetzt“ werden müssen. Fähige, umstellungsbereite Führungskräfte können gerade in Teams wertvolle Arbeit leisten, in die sie integriert werden. Von den Mitarbeitern wird Umstellungsfähigkeit, Flexibilität verlangt, gerade von ihren »Vorgesetzten«. Warum sollte dies nicht auch für diese Vorgesetzten gelten?
Zeitbedarf
Umstellung der Arbeitsorganisation geht nicht von heute auf morgen. Mit Kurzseminaren – Crashkursen – ist es nicht getan, ja manche Chefs glauben, das „Problem“ einfach dadurch lösen zu können, dass sie bisherige Gruppen- oder Abteilungsleiter einfach umbenennen. Der bisherige „Leiter“ soll nun sein Team „begleiten“, „beraten“. Er wird zum Coach!
Derjenige, der bisher geplant, angeordnet, die Ausführung dieser Anordnungen überwacht, das Endergebnis kontrolliert hat, soll nun »partnerschaftlich« sein Team »begleiten«. Und die Mitarbeiter? Von »Ausführenden« werden sie zu eigenverantwortlich Handelnden und das in kürzester Zeit, denn der Arbeitgeber will, nachdem er sich einmal „entschlossen“ hat, in kürzester Zeit auch „Ergebnisse“ sehen.
Umstellung der Organisation aber braucht, Wenn sie erfolgreich sein soll, viel Zeit. Jeder, der „Empowerment“ der Mitarbeiter erfolgreich einsetzen will, muß in seinem Zeitbudget Jahre einplanen und vor allem die soziale Komponente berücksichtigen.
Soziales Training
Konsequente Teamarbeit mit der Vorstufe Zusammenarbeit erfordert vor allem soziales Training. Zusammenarbeit, Arbeit in eigenverantwortlichen Teams, muss man lernen und im Training immer wieder üben.
Zusammenarbeit lernen! Diese Forderung stösst weitgehend auf Unverständnis, denn davon, dass gut zusammengearbeitet wird, ist man fest überzeugt. Was man kann, ja täglich praktiziert, muss man doch nicht lernen und in teuren Seminaren auch noch üben! Manager, die ja auch um ihre Position fürchten, finden hier schnell Verbündete bei den Sparkommissaren, die sofort die Kostenschere ansetzen. Zusammenarbeit lernen und üben!? Für Überflüssiges ist kein Geld da, zumal ja auch noch „Arbeitsstunden“ durch die Trainingszeiten ausfallen.
Allen Sparaposteln sei deutlich gesagt: Ohne Schulung und Training aller – wobei die Betonung auf aller liegt – an der Team- oder Gruppenarbeit beteiligten Mitarbeiter sind derartige Konzepte von vornherein zum Scheitern verurteilt. Rund 80% aller Manager, die Gruppenarbeit eingeführt haben, halten nach dem Ergebnis der Dubliner EU-Studie derartiges Training für unverzichtbar. Diejenigen, die glauben, in anderen Unternehmen mögen derartige Trainings-Übungen notwendig sein, bei uns aber nicht, denn bei uns klappt es ja schon mit der Zusammenarbeit sehr gut, zur Teamarbeit ist es ja nur noch ein kleiner Schritt, sollten sich sehr kritisch prüfen, ob sie da nicht einer gefährlichen Selbstüberschätzung unterliegen.
Defizite in der Zusammenarbeit
Gerade hier gibt es gravierende Defizite, die unbedingt angegangen werden müssen, will man nicht die Wettbewerbsfähigkeit gefährden.
Wenn in Mitarbeiterbefragungen nur etwa 1 Drittel davon überzeugt ist, dass Kollegialität und gegenseitiges Vertrauen das „Miteinander“ bestimmen, mehr als die Hälfte glauben, dass nicht alle an einem Strang ziehen, „Sand im Getriebe“ ausmachen, der Mangel an gegenseitiger Hilfe bei ungleichem Arbeitsanfall von 30 bis 60% – je nach Bereich – beklagt wird, liegt der Schluss nahe, dass hier vorwiegend egoistisch gehandelt wird. Dazu kommt noch Informations-Zurückhaltung – rund 70% gaben dies zu Protokoll – weiterhin wird das offene Ansprechen von mit der Ar- beit verbundenen Problemen von ebenso vielen Mitarbeitern vermisst.
Mangelnde Aufgeschlossenheit im Umgang miteinander und wenig ge- genseitiges Verständnis wird in betrieblichen Untersuchungen immer wieder registriert. Alles in allem ein Verhalten, das man wohl nicht mehr als „teamorientiert“ bezeichnen kann.
Führungsaufgabe: Teamorientierung – Gruppenarbeit
Die Ursachen für mangelnde Zusammenarbeit müssen analysiert wer- den, um die Umstellung der Arbeitsorganisation gezielt und damit erfolgreich angehen zu können. Dabei kommt es darauf an, gesamtunternehmerisch zu denken und entsprechend zu handeln. So hat es zum Beispiel wenig Sinn, nur auf dem Gebiet der Organisation oder der Mitarbeiterführung Maßnahmen einzuleiten, während zum Beispiel das Personal-Auswahlsystem oder Lohn- und Gehaltsfragen ausgeklammert werden.
Veränderung des Gesamt-Führungsklimas
Eines der Haupthindernisse für Teamorientierung und Gruppenarbeit ist ein Führungsverhalten, das vom Prinzip Anordnen – Ausführen – Kontrolle, kurz gesagt vom autoritären Führungsstil, geprägt ist.
Die Leitung muss kooperativ führen, dieses Führungsverhalten kompromisslos und dauerhaft vorleben. Ohne Kooperation „oben“ kann man auf Mitarbeiterebene auch keine Kooperation erwarten. Kooperatives Führungsverhalten bedeutet die Übertragung von Aufgaben, Befugnissen und Verantwortung auf die Teams.
Die Übertragung von Verantwortung auf die Mitarbeiterebene erfordert eine frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte der mittleren Führungsebene in den Prozess der Veränderung der Organisationsstruktur. Eine Umstellung von „heute auf morgen“ durch „Anordnung von oben“ stösst in der Praxis auf grosse Schwierigkeiten. Menschen, die jahrelang nur „ausgeführt“ haben, müssen erst einmal „Selbständigkeit“ lernen. Dass die Betriebsvertretung so frühzeitig wie möglich in die Konzepterstellung einbezogen werden muss, sollte selbstverständlich sein.
Schulung der Mitarbeiter und Führungskräfte
Ziel ist die eindeutig festgelegte Verantwortung für die Ergebnisse der Arbeitsinhalte, verbunden mit der Verantwortung für die Kosten, d.h. die Zuteilung eines festen Budgets. Dass hier erheblicher Aus- und Fortbildungsbedarf ansteht, dürfte bei kompromisslosem „Empowerment“ – nur solches garantiert den Erfolg – klar sein. Leider wird gerade dieser wichtige Schulungsbedarf in der Praxis von vielen Arbeitgebern nicht gesehen. Nach dem Ergebnis von Untersuchungen wurden nicht einmal in der Hälfte der Unternehmen die Mitarbeiter, gerade in 60% die Teamleiter geschult.
Verbessert werden muss insbesondere die Sozialkompetenz der Mitarbeiter und Führungskräfte. Vor allem die Teamleiter müssen mit Präsentations- und Moderationstechniken vertraut gemacht werden. Wie erreicht man am besten die Zusammenarbeit in den Teams, aber auch mit anderen Gruppen? Führungskräfte wie Mitarbeiter müssen in die Lage versetzt werden, mit Kommunikationsmitteln wie Flip-Chart, Beamer und drahtlosem Mikrofon umzugehen, also audio-visuell zu arbeiten. Das Schulungsproblem zu vernachlässigen hat in der Mehrzahl der Fälle erheblichen Nachbesserungsbedarf mit erhöhten Kosten zur Folge. Vor allem die damit verbundene Demotivation der Mitarbeiter darf nicht unterschätzt werden.
Anreizsystem
Am meisten vernachlässigt wird bei Veränderung der Arbeitsorganisation die Umstellung des „Anreizsystems“. Wer Teamgeist, Arbeit in eigenverantwortlich handelnden Gruppen fordert, muss dies auch entsprechend „honorieren“. Das Entlohnungssystem muss an die Teamarbeit angepasst werden – das wohl am schwierigsten zu lösende Problem. Wenn nach wie vor Einzel-Spitzenleistungen gefordert und auch entsprechend gefördert werden, braucht man sich nicht zu wundern, wenn der „Teamgedanke“ bald „einschläft“ und Konkurrenzverhalten überhand nimmt. Konkurrenzverhalten, Karrierestreben von Kollegen, Kollegenneid sind nach der Betriebsklima-Untersuchung der Betriebskrankenkassen wichtige Ursachen für schlechtes Betriebsklima.
Personalauswahl
Teamgeist ist nach dem Ergebnis der Betriebsklima-Untersuchung der wichtigste Faktor für ein gutes Betriebsklima. Teamgeist setzt bei jedem Teammitglied Teamfähigkeit voraus. Menschen, die durch die Schule und weiterführende Bildungseinrichtungen auf Einzelleistungen „getrimmt“ wurden, die „gelernt“ haben, sich mit Ellbogenmentalität durchzusetzen, um zur Spitzengruppe zu gehören, sind nicht ohne weiteres teamfähig. Aber auch Menschen, die jahre- oder jahrzehntelang autoritär geführt wurden und im Rahmen eines entsprechenden Beurteilungssystems nach „Noten“ beurteilt wurden und dann „aufgestiegen“ sind, fehlt es nicht selten an Teamfähigkeit.
In vielen Beurteilungssystemen führen „Teamgeist“ und „Teamfähigkeit“, wenn überhaupt, ein Mauerblümchen-Dasein. Im Zuge der Veränderung der Arbeitsorganisation ist daher auch das Personalauswahl- und Beurteilungssystem entsprechend anzupassen.
Pilotprojekte
Umstellung der Arbeitsorganisation auf Arbeit in eigenverantwortlich arbeitenden Gruppen ist ein komplexer, langdauernder Prozess in vielen Bereichen der Unternehmensführung, der nicht einfach zu bewältigen ist. Bewährt haben sich in vielen Unternehmen Pilotprojekte, mit deren Hilfe es gelungen ist, schrittweise vorzugehen. Hier können Erfahrungen gesammelt, insbesondere auch Änderungen in der Gesamtplanung vorgenommen werden. Einige Erfahrungen sind der beste Lehrmeister für die Zukunft.
Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit
Umstellung der Arbeitsorganisation erfordert in vielen Bereichen radikales Umdenken, langen Atem und klare Zielsetzung durch den Arbeitgeber. Sie ist zur Sicherung der Wettbewerbstähigkeit vor allem im Hinblick auf die Globalisierung, die auch Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben wird, erforderlich. Alle Reserven müssen mobilisiert werden, und die liegen nun einmal im Mitarbeiterbereich. Das eherne Gesetz des Wettbewerbs gilt es zu beachten: „If you can not beat them, join them!“
Autor: Georg Wolff
Unser Versprechen: wieder stärker verbunden als normalhörend!