Unser Schweizer Korrespondent Beat Roggen schickte der „Hörakustik“ den nachfolgenden, für alle Motorisierten interessanten Beitrag
Die der Sicherheit von Autoinsassen dienenden Airbags können in bestimmten Fällen bleibende Gehörschäden verursachen. Dies hat eine Untersuchung der Sektion Akustik der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt SUVA ergeben. Deren Leiter, Dr. Beat Hohmann, fordert deshalb von der Automobilindustrie spezielle Anstrengungen zur Dämpfung der bei der Aktivierung dieser Prallsäcke entstehenden Knallwirkungen.
Die SUVA hatte jüngst drei Gehörschaden-Fälle zu beurteilen, die auf die Auslösung von Airbags bei Autounfällen zurückzuführen waren. In allen drei Fällen blieb das Trommelfell unverletzt. Betroffen war jeweils das Innenohr, dessen Schädigung markante Höreinbussen und/oder persistierende Ohrgeräusche nach sich zog.
Die Schweizer Unfallversicherungen haben laut einer Mitteilung der Zeitschrift New Scientist (Nr. 2´133, 9.5.1998, Seite 21) zwischenzeitlich 3 Fälle, bei denen die Entfaltung des Airbag bei Insassen zu Hörschäden bzw. Tinnitus geführt hat.
Die SUVA-Sektion Akustik unter der Leitung von Dr. Beat Hohmann sah sich deshalb veranlasst, der Frage auf den Grund zu gehen ob und wie sehr die der Sicherheit dienenden Prallsäcke ihrerseits zu einer Gefahr für das menschliche Gehör werden können. Schalldruck-Messungen in einem mit Euro-Airbags ausgerüsteten VW Golf brachten dabei Klarheit:
Die vom Fahrer- und dem Beifahrer-Airbag ausgelösten Knallereignisse lagen um 6 bis 8 Dezibel – d.h. mehr als der vierfachen Schallenergie über dem Pegel, den die SUVA als Grenzwert für Impulslärm bezeichnet. Der Schallenergie-Pegel entspricht somit jenem von zwei Schüssen, die mit einem Schweizer Sturmgewehr 57 am Ohr des Schützen abgegeben werden. Nach einschlägigen Erfahrungen kann bereits die Schallenergie eines einzelnen Schusses bleibende Hörschäden auslösen wenn er das ungeschützte Ohr trifft.
Fazit: Aufgrund der ermittelten Resultate ist davon auszugehen, dass in Funktion tretende Airbags bei den Betroffenen bleibende Hörschäden nach sich ziehen können. Das Problem wird noch verschärft dadurch, dass neuerdings in immer mehr Fahrzeugen nicht nur die Fronten der Fahrer- und Beifahrer-Sitze mit Airbags ausgerüstet werden, sondern dass darüber hinaus zusätzliche Prallsäcke als Seitenaufprallschutz-Instrumente installiert werden – und dies zudem auf Ohrenhöhe.
Wie Abklärungen bei den Herstellern zeigten ist das Problem zwar in der Automobilindustrie durchaus bekannt, doch meiden die zuständigen Sicherheitsexperten jede Erörterung darüber – aus verständlichen Gründen: sie fürchten, dass durch eine öffentliche Diskussion über die Gefährlichkeit der Airbags das Vertrauen in deren Nützlichkeit schwinden und damit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden könnte. Dies möchte auch die SUVA vermeiden, anerkennt sie doch die grossen sicherheitstechnischen Vorteile, die diese Einrichtungen den Fahrzeuginsassen bieten.
Andererseits weist Dr. Beat Hohmann darauf hin, dass es aufgrund des heutigen Kenntnisstandes unerlässlich sein wird, nach Mitteln und Wegen zu suchen, wie die Knallwirkungen abgebaut werden können. Dies liegt nicht zuletzt im Interesse der Automobilhersteller selbst, müssen diese doch befürchten, im Falle von Hörschäden von den Betroffenen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Eine der Massnahmen, die dabei relativ rasch getroffen werden könnten erwähnt Dr. Hohmann gleich selbst: Durch einen Präsenz-Sensor für den Beifahrersitz konnte vermieden werden, dass bei einem Zusammenstoss gleich alle Airbags aktiviert werden, auch wenn nur eine Person im Fahrzeug sitzt; dadurch würde sich in diesen Fällen die Lärmbelastung halbieren.
Autor: Beat Roggen
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