Die «Akustika» in Davos aus zweierlei Perspektiven (To be Insider in 10 Minute n)

Wie das Leben so spielt erhielten wir vom Kongress der schweizerischen Berufsvereinigung Akustika (am 18./19. Juni 1999 in Davos) gleich 2 Berichte unserer »Korrespondenten«, die wir, da sie sich der gelungenen Veranstaltung aus teils verschiedenen Perspektiven nähern, gern beide zur Kenntnis geben möchten. Zunächst also Prof. Dr.-Ing. Friedrich Keller mit »Bemerkt – angemerkt« und dann Herbert Bonsel mit »Kritisches zu Digitalem«.

Bemerkt – angemerkt

Digitale Hörgeräte in aller Munde – und doch ein neuer Trend: In Alternative zu den herkömmlich bekannten und bewährten Analoggeräten mausert sich ihr Erscheinungsbild zu demjenigen eines ausgeklügelten elektronisch-nachrichtentechnischen Instrumentes, bei dem allerdings, dem ungebrochenen Slogan von wegen CD-Qualität zum Trotz, nach wie vor die Frequenz- und Leistungs-Grenzen des unersetzlichen magnetischen Hörers entgegenstehen. Digitale Rechenalgorithmen, ihrer Natur entsprechend weniger audiologisch denn elektroakustisch, stellen geänderte Anforderungen an die Hörgeräteanpassung und an den gewünschten Ausgleich einer Hörstörung, deren länger dauernde Erprobung, wie zu den Pionierzeiten des Hörgerätes vor 50 Jahren, heute mit dem Schlagwort „gleitende Anpassung“ verbrämt ist. Man mag sich fragen, ob wohl die audiologische Tätigkeit und Fürsorge für die Patienten in diesem Bereich neu definiert werden muss? Und wie wohl der Dissens Audiologie contra Algorithmen-Mathematik sich entscheiden wird?

Vielleicht war die traditionell kühlklare reine Bergluft in 1’600 Meter Meereshöhe, oben in Davos, dem Schauplatz des Akustika-Kongresses, einer Klärung solcher Begriffe besonders gewogen. Von kühler wie klarer wissenschaftlicher Distanz zeugten die Untersuchungen von Prof. Dr. Ruth Bentler, Iowa/U.S.A., zur „Wirksamkeit digitaler Geräte“, die sie, ausgehend von den Restriktionen der Food and Drug Administration (FDA) im Jahr 1994, zur Untermauerung seriöser Werbung inititierte. In ihren zahlreichen statistischen Aufschlüsselungen waren im Vergleich zu gut angepassten analogen Geräten nur kleine Unterschiede selbst in der Beurteilung von Geräuschsituationen feststellbar; trotz unterschiedlicher Verarbeitung bei den Geräten Widex »Senso« und Oticon »DigiFocus« waren die vergleichenden subiektiven Patientenaussagen enttäuschend ähnlich. Mittels „Etikettenschwindels“ wies sie bei ihren Probanden einen deutlichen Placebo-Effekt zugunsten der Bezeichnung „digital“ nach.

Immer wieder erstaunlich ist dennoch, mit welcher Nonchalance sich Vortragende aus dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ trauen, ihren Zuhörern ein wenn auch PR-unterhaltsames, so doch Lehrlingswissen ex cathedra, zu verkünden. Die vielversprechende Überschrift „Fakten und Mythen digitaler Hörgeräte“ tat Prof. Dr. David A. Fabry, Rochester/U.S.A. mit einer Par-Force – Tour durch Prospektbegriffe ab und richtete wohl an sich selbst die abschliessende Feststellung, wissenschaftliche Daten seien notwendig, nicht anekdotische Anmerkungen.

Wenn auch mit hübsch durchdachter, audiovisuell emotionaler Diktion ersetzt, vermochte auch Prof. Dr. Robert M. Traynor, Greely/U.S.A. diesem Eindruck nicht entgegenzuwirken; in seinen zwei Beiträgen stellte er die Frage, wie man „verschiedene Generationen digitaler Hörgeräte“ mittels ihrer Charakteristika abgrenzen und die „Anpassung von CIC-Geräten“ effizient gestalten könne.

In gleichermassen didaktischer als auch inhaltlicher Prägnanz konnte man sich dafür an dem Thema „Mittelohr-Implantate“ begeistern, das PD Dr. Thomas Linder, Zürich, vorstellte; ein Thema, das sich wegen der schon genannten Einschränkungen des Luftleitungs-Hörgerätehörers zu einiger Bedeutung aufgeschwungen hat; wird hier doch die Luftschall- durch eine Körperschall-Anregung (gleich welchen Typs von Implantat) ersetzt, die grundsätzlich akustisch sowohl breiteres Frequenz- als auch Leistungs-Verhalten anbietet (diese Feststellung muss man wohl explizit zusätzlich ergänzen), und dann eine weitaus grössere Zufriedenheit der Patienten ergibt, wenn die Hürde und Erschwernis des operativen Eingriffs überwunden ist. 20 % von innenohrgestörten Patient:innen kommen danach für eine solche Versorgung prinzipiell in Frage, 1 % blieben für eine weitere Evaluation übrig. Aus der Tätigkeit der Züricher Universitätsklinik beschrieb er, nach allgemeiner Übersicht, speziell das magnetische „floating mass“-Prinzip („Vibrant Soundbridge“ der Firma Symphonix) mit einem anschliessenden Operations-Video. Seit dem Jahr 1996 sind weltweit 200 Patienten damit implantiert, in Zürich sechs; der maximale Functional Gain beträgt bei 2 kHz um 35 dB, und bei 8 kHz immerhin noch 20 dB!

Erstaunlich wenig indiziert sei die (percutane) „Bone Anchored Hearing Aid (BAHA)“, resümierte Dr. Maria Izabelle Kos, Genf; ihre Vorzüge habe die BAHA speziell bei Schalleitungsstörungen, bei denen der Versuch einer konventionellen Knochenleitungs- Hörbrillenanpassung z.B. wegen Druckstellen, Entzündungen, Verzerrungen oder aus ästhetischen Gründen misslingt. In den letzten 20 Jahren sind weltweit 3’500, in Genf in den Jahren 1987 bis 1998 sechs Patienten damit versorgt worden. Im selben Maße, wie die industriell angebotenen Fortschritte ansteigen würden diejenigen bei der Otoplastik absteigen, beklagte Bernhard Kubicke, Berchtesgaden; er hob die Bedeutung der „modernen Otoplastik als entscheidende Hilfe der Hörakustik“ und als Verbindung von Technik zu Mensch hervor und warb mit warmen Worten für mehr Beachtung der tatsächlich vielen Möglichkeiten:

  • seien dies nur die Formen einer leichter einsetzbaren Kurzspange,
  • eines ausgehöhlten Gehörgangsteils mit besserer Wärmeableitung,
  • die Effizienz lichthärtenden Materials mit wenig Neigung zu Allergien,
  • Folienotoplastiken oder
  • das Sondermaterial Titan.

Umkränzt waren diese Sachbeiträge von Hilfestellungen wie u.a. dem computergestützten Verwaltungssystem „NOAH als ein Standard für die Hörhilfe-Software von heute und morgen“, bei dem, nach den Worten von Torben D. Nielsen, Kopenhagen, inzwischen 64 Gesellschaften, bzw. 90 % der Hörgeräte-Hersteller als Lizenznehmer angeschlossen sind; oder dass das Datumsproblem „Computer und Jahrtausendwechsel“, bei dem, wie Michael Zaugg, Bern, riet, im Zweifelsfall eine Anfrage an den jeweiligen Hersteller zu richten wäre, sofern in der Verarbeitung das Tagesdatum implementiert sei. Anders als man es sich zunächst vorgestellt hätte, war die in (wirtschafts-)philosophisch grossartigem Bogen ausgerichtete Anleitung von Stefan Born, Zug, zur „Arbeit des Hörgeräte-Akustikers in der digitalen Zukunft“ und auch zu den „merk-“würdigen Zielen als da letztlich sind:

  • Zukunft kennen,
  • Vertrauen schaffen,
  • Qualität sichern; und das in der Aufgabe, im allseitigen Ändern
  • vor allem den Menschen zu sehen. Als Fakten wären da zu nennen der zunehmende Anteil und die immer grössere Kaufkraft der Älteren (der „60+ Markt“); der immer stärker diversifizierte und immer schnellere Arbeitsmarkt; und in Verbindung damit die Kommunikation über Alles.

Für den traditionell liebenswürdig-familiären und wie stets bestens organisierten Schweizer Kongress ein Rekord war die Zahl von 150 Teilnehmern (für Deutschland: Vergleich mit dem Faktor 10). Der Ort Davos selbst tat sein Übriges mit „sitzungsfreundlich“ trüben und regnerischen Tagen, die sich zum Ende hin zu einer unter Unwettern schwarz/weiss schnee-überhauchten grossartigen Bergkulisse bei der Abreise steigerten. Bis zum Wiedersehen im Jahr 2000: Dank an die Organisatoren, und an die umfassende Mühewaltung der Akustika – Mann- und Frauschaft.

Autor: Prof. Friedrich Keller

Kritisches zu Digitalem

Am Freitag, 18.06.1999, pünktlich um 10 Uhr, eröffnete der neue Präsident der Akustika, Christoph Schwob, den Kongress. Er hob in seinen Grussworten hervor, dass ein neuer Abschnitt durch den Siegeszug der digitalen Hörgeräte angebrochen sei. Danach brachte uns eine Dame aus der „Landschaft Davos“ die Gegend näher. Man erfuhr, dass Davos die grösste Gemeinde im Kanton Graubünden ist und der grösste Wintersport-Ort der Schweiz.

Im Auftrag der EUHA und der Bundesinnung sollte der Chronist ein Grusswort sprechen. Der Text bezog sich – gemäss der Kongress-Thematik – auch auf digitale Hörgeräte:

„Die Digitalen haben den Markt erobert. Euphorisch wurde bei der Einführung verkündet ›Wieder hören wie früher‹ und ›Alles ist möglich‹. Sicher, die Korrekturmöglichkeiten haben sich erweitert, aber dennoch ist dieser Aussage zu widersprechen. Die Aussenseiter, Quereinsteiger und andere Berufsfremde glauben nun, sie könnten ohne viel Aufwand den Hörgeräte-Akustiker überflüssig machen. Per Knopfdruck ist doch nun jede Hörkorrektur durchführbar. Und auch der Schwerhörige denkt, mit dieser neuen Technik könne er wieder hören wie früher, sein Erwartungshorizont wächst ins Ungeheure.

Diese Aussagen sind also in zweierlei Hinsicht schädlich. Man muss doch die Hörgeräte-Eigenschaften durch ›gleitende Anpassung‹ unter Berücksichtigung des individuellen Hörbedarfs und Hörgeschmacks verändern; dies gelingt nicht auf Knopfdruck und ›hören wie früher‹ funktioniert ebenfalls in den meisten Fällen nicht. Die Aufgaben werden schwieriger und zeitaufwendiger. Weiss man doch heute, dass eine Korrelation besteht zwischen der aufgewandten Zeit und der Tragezufriedenheit. Zu unseren Aufgaben gehört also nicht nur die objektive Anpassung sondern auch individuelles Eingehen auf die Hörbedürfnisse der uns anvertrauten Hörpatienten. Die Ausbildungs-Inhalte erhalten damit einen weiteren Schwerpunkt. Ein gelungenes Beispiel für diese Ausbildungs-Bemühungen ist der vor uns liegende Schweizer Kongress. Ich wünsche Ihnen im Namen der UHA und der Bundesinnung einen guten Verlauf der Fortbildung.“

Der erste Vortrag war überschrieben mit „Digitale Hörgeräte: Fakten und Mythen“ Prof. Dr. David Fabry aus den U.S.A. (Mayo Clinic Rochester, Minnesota) stellte einen Vergleich an zwischen den analogen und digitalen Hörgeräten und im weiteren Vortragsprogramm versuchte sich Prof. Dr. Robert M. Traynor aus Colorado/U.S.A. an Aussagen, was im Zusammenhang mit digitalen Hörgeräten eine „neue Generation“ bedeutet. Schliesslich kam eine Dame zu Wort: Prof. Dr. Ruth Bentler aus Iowa/U.S.A., die in einer Statistik den Vergleich zwischen analogen und digitalen Hörgeräten in den verschiedensten Situationen wagte. Dabei stellte sich heraus, dass der objektive Vergleich meist keine signifikanten Unterschiede aufwies. Der Vorteil dieser Geräte liegt in der Möglichkeit, die Trage-Akzeptanz zu erhöhen, also auf das subjektive Hörempfinden besser eingehen zu können. Ein interessantes Referat folgte von Stefan Born, einem Hörgeräte-Akustiker aus Zug. Er stellte sehr schlüssig dar, dass sich in der Zukunft vieles ändert, was die Dienstleistung betrifft. Es muss wieder der Kunde im Mittelpunkt stehen. Ein Referent des Hauses Bernafon schilderte danach das »Jahrtausendproblem«, das in Bezug auf den Computereinsatz auf uns zukommen kann. Als Resümee lässt sich festhalten, dass jeder aufgerufen ist, die Jahr-2000 – Fähigkeit seiner Programme zu überprüfen. Letzter Vortragender des Tages war der uns wohl bekannte HIMSA-Repräsentant Torben D. Nielsen aus Kopenhagen, der das NOAH 3.0-Programm vorstellte, aber gleichzeitig bedauerte, dass es erst im Jahre 2000 verfügbar sei. Eigentlich ist es bedauerlich, dass sich diese notwendige neue Version nicht schneller herstellen lässt. Die Schwierigkeiten liegen auch darin, dass die angeschlossenen Industriefirmen Angst haben, man könne die „vergleichende Anpassung“ erleichtern und damit „selektiv“ wirken.

Am folgenden Tag (19. Juni 1999) hielt Prof. Dr. Robert M. Traynor aus Colorado/U.S.A. ein Referat über die Anpassung von CIC-Hörgeräten, in dem Allgemeinplätze über die Entwicklung von Taschengeräten bis hin zum CIC dargeboten wurden. Als es in die Praxis ging stellte er die Materialien (z.B. lichthärtendes Material) für die Schalenfertigung vor und die Verhinderung der Okklusion durch gezieltes Eingehen auf das verbleibende Gehörgangs-Restvolumen und dessen Veränderung durch Bohrungen sowie den Aufbau von Helmholtz-Resonatoren in der Schale.

PD Dr. Thomas Lindner aus der Universitätsspital Zürich gab einen Überblick über Mittelohr-Implantate und zeigte in einem Video die Operationstechnik des Einpflanzens des Implantates Vibrant Soundbridge im Mittelohr. Dr. Maria Izabelle Kos von der Universitätsklinik Genf erläuterte die Versorgung mit BAHA-Implantaten. Diese Technik ist nun schon seit über 20 Jahren bekannt und hat sich gut eingeführt. Dr. Kos bedauert nur, dass das Patientengut sehr klein ist, welches sich für eine Operation eignet und dafür entscheidet. Als letzter Vortrag war das Thema Otoplastik gewählt worden. Bernhard Kubicke aus Berchtesgaden stellte in seinem Referat heraus, dass man nicht nur schalen- und reifen-förmige Otoplastiken fertigen lassen soll. Die Folien-Otoplastik, farbige Versionen und auch Titan-Ohrpassstücke verdienen es, mehr angewandt zu werden.

Der Kongress war ausserordentlich gut besucht. Der Bündner Abend im Kessler’s Kulm Hotel mit Festessen krönte das Ereignis. Es regnete in Strömen und in den Bergen der Umgebung schneite es sogar zu Kongress-Beginn. Das fesselnde, aber gedrängte Programm liess keinen Raum für ein „Freizeitprogramm“. Dennoch: Eine Fahrt zur Schatzalp am letzten Tag mit etwas Sonne stand auf dem Wunschzettel vieler Teilnehmer. Von dort hat man einen wunderschönen Blick auf die Talschaft und die umgebenden Berge. Im Alpinum kann man die typischen Pflanzen- und Blumen-Spezies des gesamten Alpenraumes bewundern.

Auch im nächsten Jahr soll der Akustika-Kongress wieder in Davos stattfinden. Christoph Schwob erhofft sich dann eine grössere Beteiligung auch der deutschen Kollegen.

Erwähnenswert ist noch, dass der neue Akustika-Präsident näher mit unserer Akademie zusammenarbeiten will. Praxiskurse sind angedacht, wenn die Akademie Räume und Dozenten für unsere Schweizer Kollegen bereitstellen kann. Auch strebt man an, unser TRT-Modell im Ausbildungsprogramm der Schweiz zu verankern.

Es war ein gelungener Kongress, zu dem wir unseren Schweizer Kollegen nur gratulieren können.

Autor: Herbert Bonsel

 

www.hörmodell.ch

Frei, unabhängig und anspruchsvoll – so soll Ihr Hörsystem in der neuesten Generation aussehen:

Ihre Vorteile von Hörsystemen der jüngsten Generation:

Autor: Thomas Keck

Thomas Keck ist durch seinen Beruf als Hörsystemakustiker bestens mit der Präzision und Sorgfalt vertraut, die sowohl für die technische Arbeit als auch für den direkten Kundenkontakt erforderlich sind. Sein Werdegang zeugt von einer kontinuierlichen Entwicklung und einem hohen Maß an Fachwissen, unterstrichen durch den Meisterbrief und die Selbstständigkeit. Er verfolgt seine Interessen mit Leidenschaft und widmet sich einer Vielzahl von Aktivitäten, von Musik über die Beschäftigung mit Oldtimern bis hin zur Werteschätzung der Bibel. Thomas bewundert Menschen, die in ihrem Feld Spitzenleistungen erbringen, wie diverse Musiker und Schauspieler. Dies deutet auf eine hohe Wertschätzung für Expertise und handwerkliches Können hin.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert