H. Ganz, H. Iro (Herausgeber): „HNO-Praxis heute“, Band 18. 1998. Springer-Wissenschaftsverlag, Heidelberg. 272 Seiten, 35 Abbildungen, 5 Tabellen. Gebunden. sFr 87.50. ISBN 3-540-64284-6. Zu beziehen über den Buchvertrieb des Median-Verlages.
In bewährter Ausstattung liegt der 18. Band der Reihe „HNO-Praxis heute“ aus dem Springer-Verlag vor, eine Reihe, die man als „Lehrbuch des Facharztes“ bezeichnen könnte. Den Herausgebern ist es gelungen, eine Reihe von herausragenden Autoren zu Themen zu gewinnen, die nicht im Mittelpunkt der klinischen Ausbildung zum Facharzt stehen und dabei leicht in Gefahr geraten, als Randgebiete vernachlässigt zu werden. Dabei haben diese Themen im Rahmen der Erhaltung des Fachgebietes und seiner „Drehscheiben-Funktion“ zu benachbarten Disziplinen einen hohen Stellenwert, und ihre Vernachlässigung käme einer Amputation von Fähigkeiten und Kenntnissen gleich.
Ein Schwerpunkt-Thema des 18. Bandes stellt die Otologie dar. Niemeyer gibt eine fundierte Darstellung des derzeitigen Wissensstandes zur berufsbedingten Schwerhörigkeit, die immer noch die häufigste aller Berufskrankheiten ist, basierend auf den epidemiologischen Daten der Versicherer und jüngeren Erkenntnissen der Innenohr-Physiologie. Da nach wie vor keine therapeutischen Möglichkeiten zur Beeinflussung der Lärmschwerhörigkeit bestehen, weist der Autor zu Recht auf den dringenden Bedarf hin, die Prävention zu erhöhen. Hier fehlt noch ein Eingehen auf aktiv kompensierende Gehörschutz-Mittel, deren Anwendung jedoch zur Zeit nicht in allen lärmintensiven Bereichen erlaubt ist.
Das zweite otologische Thema haben Laszig und Marangos bearbeitet. Die Entwicklung des Cochlear-Implants hat eine klinische Reife erreicht, die zu einer Konzentration auf wenige industrielle Anbieter, aber höchste technische Sicherheit geführt hat. Die Implantation einer implantierbaren Innenohrprothese gehört heute an den dafür ausgestatteten Kliniken zum Standard, die ausgereifte Operationstechnik erlaubt sie bei Kindern unter zwei Jahren und macht eine eventuell später notwendige Reimplantation möglich. Eine kompetente Betreuung des CI-Patienten über Jahre hinaus ist der wesentlichste Beitrag zum Therapieerfolg. Bei der Therapie der Taubheit mit einem CI besteht jedoch weiterhin Forschungsbedarf, um Patienten einen noch zuverlässigeren Erfolg zu vermitteln. Die bisherigen Erfahrungen befruchten aber auch die Forschung auf dem Gebiet weiterer implantierbarer Hörprothesen.
In seinem Beitrag „Phonochirurgie“ bemüht sich Eysholdt um eine Abgrenzung des Begriffes, der alle operativen Methoden zur Verbesserung der Stimmfunktion umfasst. Dass dabei sehr unterschiedliche Methoden wegen der sehr unterschiedlichen Grunderkrankungen behandelt werden müssen, ist jedem ORL-Arzt bewusst. Operative Eingriffe am Kehlkopf von geschulten Sprechern und Sängern benötigen ein besonders sorgfältiges und zurückhaltendes Vorgehen. Die vom Autor postulierten phonochirurgischen Prinzipien sollten vom Therapeuten nicht verletzt werden und stellen eine gute Handlungsrichtlinie dar. Die Anwendung der RHB-Klassifikation zur standardisierten Beurteilung der Stimmqualität wird leider noch nicht überall angewandt, obwohl sie seit Jahren im deutschen Sprachraum etabliert ist.
Manches Randgebiet gehört zum „täglichen Brot“ des tätigen HNO-Arztes, obwohl es nur kooperativ angegangen werden kann. Austermann und Umstadt behandeln Ursachen, Auswirkungen und die Therapie der Malokklusion. Diese nimmt eine zentrale Rolle in der Entstehung funktioneller Erkrankungen des stomatognathen Systems ein und ist vielfach Ausgangspunkt und therapeutischer Ansatz für Funktionsstörungen des Kauorgans. Eine enge Kooperation mit einem speziell interessierten und kompetenten Zahnarzt ist hier unerlässlich.
Ein grosses Verdienst kommt Ernst zu, der das Gebiet der posttraumatischen Beschwerden des kranio-zervikalen Überganges darstellt. Viel zu selten werden diese Störungen in ein qualifiziertes Behandlungskonzept eingebunden und eher diffus unter dem Schlagwort „Schleudertrauma“ undifferenziert behandelt. Ganz wichtig zur gutachterlichen Beurteilung nach Beschleunigungstraumen der HWS ist die Erstbefundung und Dokumentation durch den Unfallchirurgen oder Orthopäden. Problematisch wird die Beurteilung von Beschwerden nach grossen Zeitintervallen, psychischer Stigmatisierung und ohne Nachweis von pathologisch-morphologischen Substraten. Der manual-diagnostischen Befunderhebung und Therapie wird ein hoher Stellenwert eingeräumt.
Die Übersicht der klinischen Syndrome mit HNO-Symptomatik von Ganz ist eine alphabetische Liste von 340 otorhinolaryngologisch relevanten Erkrankungen und stellt für den Fachbereich eine wichtige Möglichkeit zum Nachschlagen dar, insbesondere für den niedergelassenen Kollegen, dem nicht ständig das Angebot einer Universitätsbibliothek zur Verfügung steht. Die Zusammenstellung erlaubt ein schnelles Zurechtfinden im Wust der Syndrome und ist eine echte Hilfe für den Interessierten.
Alternative und komplementäre Diagnose- und Therapie-Verfahren haben zu allen Zeiten existiert und waren oftmals gesuchte Methoden neben einer „etablierten“ Medizin. Im Zeitalter scheinbar leerer Kassen bekommen sie aber plötzlich einen neuen Stellenwert, besonders, wenn sie auf Kosten einer Solidargemeinschaft finanziert werden sollen. Um eine Bewertung durchführen zu können, müssen die unterschiedlichsten Verfahren und ihre Wirkungsweise jedoch bekannt und erprobt sein, damit nicht eine pauschalierte Verunglimpfung erfolgt.
Friese ist es zu danken, dass er eine Übersicht über die ungeheure Vielzahl von empirisch begründeten Verfahren gibt und den Versuch einer Systematisierung wagt. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben werden unspezifische und spezifische Verfahren dargestellt und (subjektiv) bewertet. Einem interessierten Arzt, der seine Patienten verantwortungsbewusst behandelt, sind alternative und komplementäre Verfahren unter Beachtung der Grenzen ihrer Möglichkeiten eine unerlässliche Bereicherung seiner therapeutischen Palette. Während sich die »empirisch begründete Medizin« als Modetrend ohne innere Überzeugung von Arzt und Patient nicht auf dauerhafte Erfolge wird stützen können, erfährt eine altbekannte Mode des Schmückens zur Zeit in Verbindung mit einer modischen sprachlichen Ausdrucksform eine überbordende Akzeptanz vor allem Jugendlicher, bezeichnet als „piercing“, „tatooing“ und „branding“. Die Komplikationen entsprechen den durch die Methode der Verwundung des Integuments gesetzten Schäden und machen teilweise aufwendige ärztliche Behandlungen nötig. Verantwortungsbewusste „Haut-Künstler“ und Patienten sind sich der Infektionsrisiken bewußt und handeln entsprechend vorsorglich.
Die Lektüre des vorliegenden Bandes der „HNO-Praxis heute“ stellt eine Bereicherung für jeden HNO-Arzt dar und kann nur wärmstens empfohlen werden.
Quelle: Reinhard G. Matschke
www.hörmodell.ch
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