Thema Früherkennung in Bonn (To be Insider in 12 Minute n)

Auf den Spuren Beethovens wandelten 1999 statt Musici Experten aus Medizin und Industrie zusamt Jüngern der Journaille bei den von der SIEMENS Audiologischen Technik GmbH, Erlangen, am 25. August initiierten „Beethovengesprächen 1999“ in Bonn. Wobei der komponierende Titan und sein Schicksal der Ertaubung willkommener geistiger Horizont war für den Austausch aktueller Erkenntnisse einer frühzeitigen Erkennung und Versorgung von Hörschädigungen bei Kleinstkindern. Ein Hörtest bei Neugeborenen kann einer möglichen folgenden Entwicklungsstörung vorbeugen. Die Statistik zeigt: Jedes 1‘000. Baby in Deutschland kommt mit einer Hörminderung zur Welt, die häufig erst viel zu spät erkannt wird. Oft sind zu diesem Zeitpunkt schon wichtige Entwicklungsstadien aufgrund mangelnder oder gar fehlender Aktivierung der zentralen Hörbahnen am betroffenen Kind vorübergegangen.

Die Bonner Presseveranstaltung von S.A.T. – aus Erlangen fungierte Wilhelm Evers als Gastgeber des von der Agentur KOCHS + KOCHS Public Relations GmbH mustergültig vorbereiteten Treffens – widmete sich mit kompetenten Referenten einem überaus dringlichen Thema: der generellen Untersuchung und daraus folgenden Früherkennung kindlicher Hörschäden. Wir waren für Sie dabei.
Dr. Werner Richtberg, leitender Psychologe des Zentrums der Psychiatrie an der Goethe Universität Frankfurt und psychologischer Gutachter bei Gericht, verfügt über kasuistische Einzelfall- sowie Langzeit-Erfahrung in der Behandlung schwerhöriger Menschen. Richtberg mahnt an, dass trotz durchgeführter Vorsorge-Screenings die Hörminderung eines Neugeborenen viel zu lange unentdeckt bleibt. Erst scheinbar auftretende Begriffsstutzigkeit und Unfolgsamkeit fallen dem Umfeld als Störung auf. Zu dieser Zeit ist das Kind jedoch meist schon im Vorschul- oder Schul-Alter, in welchem Normalhörende bereits jahrelang einen wichtigen sinnlichen Erfahrungsbereich durchlaufen haben, der den Schwerhörigen versagt blieb. Charakteristische Besonderheiten bei hörgeschädigten Kindern sind u.a. Überforderungs- und Enttäuschungs-Erlebnisse, Entmutigungssyndrome sowie ein schwerwiegender Erschöpfungszustand. Insbesondere Schwerhörige haben gegenüber Gehörlosen keine autonome, schützende Gruppe, in der sie sich bewegen, sondern müssen sich im Alltagsleben mit gesunden Menschen zurechtfinden und werden oft an diesen gemessen. Und die Konfrontation mit solch prekären Situationen betrifft bei weitem nicht nur Kinder.
Auch für Erwachsene ist es kein Leichtes, das Alltagsleben weitgehend „normal“ zu meistern. Denn alles, was für Guthörende „spielerisch leicht“ und „beiläufig normal“ abläuft, erfordert bei Schwerhörigen grosse Konzentration und den Einsatz aller geistigen Energien. Sie müssen immer „ganz Ohr“ sein, um zu verstehen und können ihren Ohren dennoch „nie ganz trauen“.
Um diese Reifungsbehinderung gleich im Vorfeld zu vermeiden, sollte eine kindliche Hörstörung unbedingt frühzeitig erkannt und behandelt werden. Denn schon von Geburt an reden Mütter mit ihrem Säugling und übertragen so seelische Resonanzen in Form von zu spürender Geborgenheit, Nähe und Zuneigung auf das Baby. Fehlen all diese für die Persönlichkeits-Entwicklung eminent wichtigen emotional-akustischen Wahrnehmungen, ist das Kind von vorn herein für die Aussenseiter-Rolle prädestiniert, gefolgt von Identitätsproblemen und einem schleichenden Vertrauensverlust. Die Hintergründe hierfür liegen in der fehlenden emotionalen Wahrnehmungsfähigkeit des Gehörs.

Auch Prof. Dr. Martin Westhofen, Leiter des HNO-Uniklinikums der RWTH Aachen berichtet aus seiner Erfahrungspraxis, dass eine Schwerhörigkeit bei Neugeborenen meist viel zu spät festgestellt wird. So plädiert er für grundsätzlich durchzuführende Hörtests bei Säuglingen, wobei es keinesfalls bei den gängigen Standardtests bleiben sollte. Bei solchen Routine – U-Untersuchungen kann es nämlich des Öfteren zu Fehleinschätzungen kommen. Denn auch schwerhörige und gehörlose Kinder zeigen in den ersten Monaten entgegen der Vermutungen ihrer Eltern Sprachäusserungen und verstummen erst in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres allmählich, sobald sie feststellen, dass keine Resonanz erfolgt und Reize ausbleiben. In einem Pilotprojekt unter der Leitung Prof. Westhofens führen Ärzte nachgeburtliche Tests bei Neugeborenen durch, wie z.B. Messung der Gehirnströme und otoakustischen Emissionen. In diesem Zusammenhang erläuterte er auch noch einmal Funktion und Effekt der BERA (Brainstem Evoked Response Audiometry) – einer Methode, bei welcher Hörantworten der Kinder unter Ein- und Ausschluss der Mittelohrfunktion (Luft- und Knochen-Leitung) vergleichend dargestellt werden. Westhofen vermittelte Ursachen und Therapiemöglichkeiten differenter Schwerhörigkeiten sehr anschaulich anhand moderner multimedialer Technik – teils auch aus seiner eigenen Praxis. Wobei er immer wieder betonte, dass Deutschland bedauerlicherweise trotz Kenntnis nicht-invasiver Diagnosemethoden noch immer über kein flächendeckendes Früh-Screening – Programm verfügt. So ist das primäre Ziel der sogenannten „Aachener Studie“ unter der Federführung von Prof. Westhofen: Die Durchführung eines nachgeburtlichen Screenings bei allen Neugeborenen. Denn hierauf fussen letztlich alle folgenden Massnahmen, die dann gemäss individueller Notwendigkeit durchgeführt werden müssen.
Wichtig sind auch Informationsmedien für Eltern und Ratsuchende, da hier noch ein erheblicher Mangel an Aufklärung besteht. So ist der Verdrängungs-Mechanismus der Eltern und der Glaube in die menschliche Natur („…das wird schon wieder“) noch zu stark verankert.
Die Studie beinhaltet apparative und operative Therapiemassnahmen, Hörgeräteversorgung sowie bei Fällen von beidseitiger Taubheit die Implantation von elektronischen Innenohrprothesen (Cochlea-Implantat). Westhofen hofft sehr stark darauf, dass Neugeborenen-Hörscreenings alsbald in ihrer Durchführung den Grad der Selbstverständlichkeit erreichen. Am Ende erläutert Westhofen noch kurz – passend zum Leitwort des Tages – das Krankheitsbild Beethovens: Otosklerose. Heute wäre diese Schwerhörigkeit durch eine ca. 45-minütige Operation zu beheben.
Da stellt sich allerdings die Frage: Wäre dann aus Beethoven der Beethoven geworden wie er heute noch in den Ohren der Menschen klingt?

Im Anschluss folgte das Referat von Dr. Agnes Hildmann, Leiterin des CI-Zentrums Datteln, mit den eindringlichen Worten: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!“ Bei ihnen ist die Erkennung und Behandlung oft noch komplexer als es beim Erwachsenen der Fall ist. So zum Beispiel ist bei Kleinkindern kein sicherer subjektiver Hörtest (Audiometrie) möglich, sondern der Pädaudiologe ist auf objektive Messergebnisse und genaue Beobachtungen beim Kleinkind angewiesen. Fehlt bei einem Säugling die Ausbildung nervaler Vernetzungen und deren Stabilisierung durch akustische Reize, findet keine sensorische Integration mit den anderen Sinnessystemen statt. Das Kind „spielt“ nicht mit seiner Stimme, da es sie nicht hört. Wenn die Diagnose nicht rechtzeitig gestellt und damit nicht entsprechend reagiert wird verstummt das Kind nach einigen Monaten. Bei der Versorgung darf der Übergang von der unbewussten in die bewusste Lallphase nicht verpasst werden, denn entscheidend ist, wann das Hörgerät angesetzt wird.
Frau Dr. Hildmann erläuterte die verschiedenen Arten von Hörgeräten und ihre Funktionen. Unterschieden wird hauptsächlich zwischen analogen, digital programmierbaren und volldigitalen Hörgeräten. Ein Vorteil digitaler Hörgeräte ist die Fähigkeit, den eingeschränkten Dynamikbereich besser auszunutzen, d.h. die Verstärkung erfolgt nicht linear wie bei analogen Hörgeräten, sondern richtet sich nach der Art des Eingangssignals. Jedoch ist nicht immer ein digitales Hörgerät vonnöten (z.B. bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit). Jede apparative Versorgung verläuft individuell, denn „jedes Kind ist anders und einmalig“!

Auch Dr. ver. nat. Kristin Rohrseitz, Projektleiterin Pädaudiologie bei der Firma Siemens Audiologische Technik, betont die Komplexität der Hörgeräteanpassung bei Kindern. Besonders sind hier folgende Kriterien zu beachten:
• Hörverluste bei Kindern sind häufig hochgradig,
• Hörgeräteversorgung bei Kindern erfordert Erfahrung, Einfühlungsvermögen und Geduld sowie eine
• interdisziplinäre Zusammenarbeit von Eltern, Pädakustikern, Pädaudiologen, Pädagogen und Hörgeräte-Herstellern.
Auch betreffend die technischen Anforderungen sind bestimmte Besonderheiten bei Kindern zu beachten. Kinderohren wachsen, und somit ändert sich die Frequenz der Gehörgangsresonanz. Ebenso vergrössert sich das Restvolumen, d.h. die Schallwahrnehmung verändert sich ständig. Folglich ist eine regelmässige Betreuung und Nachanpassung bei Kindern unerlässlich. In diesem Fall bieten digital programmierbare Geräte oder voll digitale Hörcomputer, die sich an unbeständige anatomische und audiologische Anforderungen anpassen lassen, eine Lösung. Kristin Rohrseitz stellt an dieser Stelle die Connexx Software des Hauses Siemens vor, bei der die neuen Resonanzwerte sowie Restvolumina automatisch berechnet und für die notwendige Verstärkung berücksichtigt werden; somit ist Flexibilität für Nachkorrekturen und eine schnelle Anpassung gegeben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Versorgung von Kleinkindern ist der Ausgleich von Recruitment und die Sprachverständlichkeit, die ja Voraussetzung für den eigenen Spracherwerb ist. Dies wird durch eine Mehrkanaltechnik erreicht, die in verschiedenen Kanälen die Verstärkung berechnen kann. So bleibt Störlärm im Hintergrund und Sprachsignale werden entsprechend verstärkt.
Letztlich darf nicht vergessen werden, dass es gerade für die „Kleinen“ und ihre Entwicklung wichtig ist, dass sie ihr Hörgerät akzeptieren. Dies soll ihnen durch praktisches Zubehör wie Kindertragehaken, Audioschuhe etc., vor allem aber durch lustige Farben und Formen erleichtert werden. „Kindgerecht“ lautet hier die Devise!

Im Anschluss an die Referate und Diskussionen bei mittäglichem Speis› und Trank gab sich noch weiter die Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Sodann folgte ein Spaziergang durch unser „ehemaliges Bundeshauptstädtchen“ – und so wandelten auch die Teilnehmer der Konferenz auf Beethovens Spuren, beginnend mit dem Geburtshaus des Komponisten. Dort begann eine interessante kleine Reise ins 18. Jahrhundert, die Zeit, in der auch Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn (späterer Lehrer Beethovens in Wien) kompositorisch wirkten.
Schon früh erhielt Beethoven die Möglichkeit, seine Kreativität auszuleben. Er spielte schon 1783 am kurfürstlichen Hofe, wo ihm 1792 von Kurfürst Maximilian Franz von Österreich ein Stipendium gewährt wurde und er die Chance erhielt, sich beim Wiener Hochadel einen Namen zu schaffen. Beethovens Zeit in Wien wird im Besonderen von Ereignissen wie Freundschaften, Liebesbeziehungen und vor allem dem Beginn seiner Schwerhörigkeit, die zur völligen Ertaubung führte, geprägt. Ein wahrhaft tragisches Schicksal, das sich in den Zügen sämtlicher Bildnisse Beethovens widerspiegelt. Die Krankheit trieb ihn so weit, sich mit Selbstmordgedanken zu tragen. Das machen verschiedene Niederschriften, vor allem aber das »Heiligenstädter Testament« deutlich. Jedoch beginnt paradoxerweise gerade nach dieser Zeit seine grösste Schaffenphase. Es entstanden berühmte Kompositionen im Zustand völliger Ertaubung.

Abschliessend sei dem Veranstalter gedankt für die gelungene Gestaltung dieses Tages – für die Presse eine informative Melange von kulturhistorischem Background und audiologischer Aktualität – von den interessanten und aufschlussreichen Referaten und Gesprächen bis zur gastfreundlichen Bewirtung, der herzerfrischend belebenden Stadtführung bei strahlendem Sonnenschein sowie der abschliessenden Einkehr in das gemütliche traditionsträchtige Rheinländische Gasthaus »Em Höttche«.

Autorin: Tina Vergara

 

www.hörmodell.ch

Frei, unabhängig und anspruchsvoll – so soll Ihr Hörsystem in der neuesten Generation aussehen:

Konzern WSA

Autor: Thomas Keck

Thomas Keck ist durch seinen Beruf als Hörsystemakustiker bestens mit der Präzision und Sorgfalt vertraut, die sowohl für die technische Arbeit als auch für den direkten Kundenkontakt erforderlich sind. Sein Werdegang zeugt von einer kontinuierlichen Entwicklung und einem hohen Maß an Fachwissen, unterstrichen durch den Meisterbrief und die Selbstständigkeit. Er verfolgt seine Interessen mit Leidenschaft und widmet sich einer Vielzahl von Aktivitäten, von Musik über die Beschäftigung mit Oldtimern bis hin zur Werteschätzung der Bibel. Thomas bewundert Menschen, die in ihrem Feld Spitzenleistungen erbringen, wie diverse Musiker und Schauspieler. Dies deutet auf eine hohe Wertschätzung für Expertise und handwerkliches Können hin.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert