Noch die „alte“ Fördergemeinschaft beauftragte zwei renommierte Marktforschungs-Institute, den Hörgeräte-Markt in Deutschland zu untersuchen. Ende Januar erfolgte in zunächst „geschlossener Gesellschaft“ die Präsentation der Marktanalysen. Wir bedauern es sehr, dass infolge divergierender Interessen im Kreis der Auftraggeber heute und hier noch keine Dokumentation der Ergebnisse möglich ist. Doch steht zu erwarten, dass bei den regionalen Veranstaltungen von FDH e.V. und EUHA e.V. Details bekannt gemacht werden.
Wir müssen uns zunächst darauf beschränken, jene Erläuterungen zu zitieren, die während der Präsentation verlautbart wurden.
Zunächst referierte Prof. Martin Keppler, Dipl.-Psych. von der Keppler-KonsumforschungsGmbH Stuttgart seine Analyse „Einstellungen und Perspektiven zum Thema Gutes Hören“. Seine Untersuchung fusst auf einer Pilotstudie mit 12 Gruppengesprächen und 76 Versuchspersonen im November 1999 sowie 504 Fragebogen-Interviews in der Quantifizierungsstufe im Januar 2000. Seine wichtigsten Ergebnisse fasste Keppler in 15 »Erkenntnissen« zusammen:
- Hören gilt vielen als wesentlich weniger wichtig als Sehen. Hörminderungen werden anfangs verdrängt und häufig erst von Dritten verbalisiert.
- Nur jeder Dritte erkennt und/oder bekennt eine Hörminderung.
- Als Hauptprobleme beim Tragen von Hörhilfen werden Gespräche in größerem Kreis, beim Telefonieren. Wind oder Strassenverkehr genannt.
- Gewünscht werden preiswertere Batterien mit verlängerter Lebensdauer und Ladeanzeige.
- Das Selbstverständnis von Hörgeräteträgern ist positiver als die Beurteilung durch andere. Negativ-Eindrücke werden verdrängt oder bagatellisiert.
- Konstatiert wird eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität von Hörgeräteträgern: Selbstvertrauen, Kommunikation, Gewinn an Tönen, Klängen, Lebensfreude.
- Hörbehinderte legen beim Gerätekauf Wert auf Unauffälligkeit, Funktionstüchtigkeit und günstigen (Zuzahlungs-)Preis.
- Befürchtet werden von ihnen Isolation durch negatives Aussehen, hoher Preis und/oder Funktionsschwächen.
- Bei Hörgerätenutzern gilt der Hörgeräte-Akustiker zumeist als kompetent, geduldig und vertrauenswürdig. Verbessert werden sollten Verfügbarkeit und Kulanz.
- Man trennt: Der Akustiker berät, passt an, verkauft und betreut. Der HNO-Arzt ist für den Hörtest (gemeint ist wohl die Diagnose) zuständig und vermittelt an den Akustiker.
- Die Mehrzahl der Hörgeräte-Träger hat von ihrem HNO-Arzt die Adresse eines Hörgeräte-Akustikers erfahren – der Facharzt gilt als wichtiger Mittler.
- Hörakustiker-Betriebe sind wenig bekannt und gelten als teuer. Der Preis wird nur a den Geräten, nicht an der Dienstleistung „aufgehängt“.
- Hörgeräteträger finden die Betriebe mehrheitlich spezifisch, freundlich, modern und einladend. Auf Hörgeräte-Skeptiker – „was der Bauer nicht kennt isst er nicht“ – wirken sie, soweit überhaupt bekannt, wesentlich weniger einladend.
- Bagatellisieren des Hörproblems, allgemeine Hemmungen wie Schwellenangst, schwere Erreichbarkeit der Betriebe und Furcht vor den Kosten bewirken Zurückhaltung sogar bei Hörtests.
- Auch die Nomenklatur wie »Schwerhörigkeit«, »Hörgerät« oder »Hörbehinderung« fördert Vorurteile und die Furcht vor Ausgrenzung. Vorgeschlagen wird „Hörminderung“ als Alternative.
Prof. Keppler gab der Branche zu bedenken: „Sie verkaufen keine Geräte sondern gutes Hören“. Mehr Informationen und Schlüsse aus der Studie sind – wie erwähnt – an anderer Stelle zu erwarten und auch wir werden uns weiterhin um Details und Analysen bemühen.„Gründen für Versorgungsdefizite„ ging die Studie von Simon-Kucher & Partners aus Bonn nach, die von Dipl.-Kfm. Bernhard Böffgen und Dipl.-Wirtsch.-Ing. Gerd Wilger präsentiert wurde.
Interviewt wurden 120 Personen mit Hörgerät, 126 ohne Hörgerät, 61 Kontaktpersonen, 252 Normalhörende, 29 HNO-Ärzte und 26 Hörgeräte-Akustiker.
Auch hier nur ein paar Highlights aus den mündlichen Erläuterungen – die Studie ist unter Verschluss.
Das Image von Hörgeräten ist am schlechtesten bei Schwerhörigen ohne Hörgerät. Positive Einflüsse auf Hörgeräteträger kamen zu 80 % vom HNO-Arzt, zu 66 % vom Hörakustiker und zu 63 % von Kontaktpersonen (Familie, Kollegen, Freunde etc.).
Das Stigma der Schwerhörigkeit ist träge, es gilt, zielgerecht Marktsegmente zu bearbeiten, Prominente als Testimonials einzusetzen. Breit angelegte Werbe-Kampagnen sind nicht ökonomisch. Sodann bietet die Studie Empfehlungen zur Preispolitik, zur Kooperation mit dem HNO-Arzt, zur Funktionsfähigkeit moderner Hörsysteme und zum Öffentlichkeitsbild des Hörakustikers – man darf auf Details gespannt sein.
Quelle: os