In Hannover fand Ende März die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie e.V. (DGA) statt, über die wir noch berichten werden. Im Rahmen dieser Veranstaltung ernannte DGA-Präsident Prof. Dr. Manfried Hoke den renommierten HNO-Nestor Prof. Dr. Alf Meyer zum Gottesberge zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Wir drucken mit freundlicher Genehmigung des Laudators Prof. Hoke nachfolgend dessen Verleihungs-Rede – Red.
Unter den vielen herausragenden Persönlichkeiten der deutschen und internationalen Oto-Rhino-Laryngologie des 20. Jahrhunderts, zu denen Prof. Dr. Alf Meyer zum Gottesberge zweifelsohne gehört, sind mir nur wenige persönlich bekannt geworden, die trotz ihres großen Namens und ihrer unbestrittenen Bedeutung so bescheiden, herzlich, humorvoll, weil weise geblieben sind.
Wenn diese Eigenschaften am Anfang einer Laudatio stehen, dann deshalb, weil dadurch der Mensch Alf Meyer zum Gottesberge und seine Wirkung auf die Mitmenschen am besten verständlich wird. Bei all seiner Zielstrebigkeit, Prinzipientreue, fachlichen Kompetenz und bei höchstem Engagement für Patienten und Wissenschaft war und ist »MzG«, wie er – durchaus respektvoll – von vielen genannt wird, ein Herzensmensch. Dies sollte vorangestellt werden, bevor mehr oder weniger sachlich der Lebensweg des Arztes, Wissenschaftlers und witzigen Philosophen abgehandelt wird.
Prof. Alf Meyer zum Gottesberge wurde 1908 in Herford geboren. Seine Weiterbildung erhielt er in Freiburg unter Aschoff und ab 1933 in Köln unter Güttich und Frenzel. Früh schon war er fasziniert vom cochleo-vestibulären System, was sich in vielen seiner Publikationen niederschlug: über den Lage-Nystagmus, die physiologisch-anatomischen Elemente der Schallrichtungs-Bestimmung, die Hörbilder in ihren Beziehungen zu Sitz und Art der Störung, die degenerativen Innenohr-Schwerhörigkeiten, über Hörschädigungen beim Flugpersonal (ein Beitrag zur Frage der C5-Senke), über den Lage-Nystagmus als sicherstes klinisches Zeichen der akuten Alkoholvergiftung, über subjektive und objektive Ohrgeräusche, zur Physiologie der Haarzellen, über den Morbus Menière oder zur funktionellen Pathologie der Innenohr-Schwerhörigkeit. So blieb es nicht aus, dass er 1953 gleichzeitig Rufe auf die Lehrstühle der Universitäten von Heidelberg und Düsseldorf erhielt. Er entschied sich für die damalige Medizinische Akademie Düsseldorf, wo er bis 1977 den Lehrstuhl innehatte. Es spricht allein für die überzeugende Persönlichkeit von »MzG«, dass er bereits in den Jahren 1956/57 das Amt des Rektors übernahm und von 1958 bis 1967 das des ärztlichen Direktors.
Trotz solcher verantwortungsvoller Ämter setzte er seine Grundlagen-Forschung auf dem Gebiet des Gleichgewichts-Apparates und der Cochlea konsequent fort. Beweis seiner engen Verknüpfung von Grundlagen-Forschung und Klinik sind richtungweisende Arbeiten zur funktionellen Pathologie der Innenohr-Schwerhörigkeit, zum akustischen Trauma, zur Hörtheorie, zur Hörphysiologie oder zu Ohrgeräuschen, zur Knochenleitung, zum akustischen Trauma, zum Eiweiss-Stoffwechsel der Cochlea und des Nucleus cochlearis und zum Hörsturz. Zusammen mit Plester, Stupp und Watanuki entstanden zwischen 1961 und 1971 wegweisende Untersuchungen zum Stoffwechsel-Transport der Hörschnecke, zur statischen Funktion des Sacculus beim Menschen, zur Oto-Toxizität der Aminoglycosid-Antibiotika oder zur Funktion und Morphologie der Sinnes-Epithelien des Vestibular-Organs. Sein Handbuch-Artikel über den Morbus Menière gilt als Standardwerk.
Meyer zum Gottesberge gab immer Anstoß zu neuen Denkweisen und Forschungsrichtungen, sowohl in der Klinik als auch auf dem Gebiet der Grundlagenforschung: Prof. Dietrich Plester, Oberarzt bei Meyer zum Gottesberge, entwickelte unter seiner Leitung entscheidende Komponenten der Tympanoplastik und Stapesplastik. Neveling widmete sich erstmals fundiert der Klinik des Hörsturzes. Sigurd Rauch erarbeitete die Grundlagen der Biochemie des Innenohres, und E. Coburg untersuchte die Zellproliferation und Zellwanderung in den Tonsillen, im Respiratonstrakt und im Mittelohr.
So war Düsseldorf unter MzGs Führung ein Mekka der Innenohr-Forschung und der Mittelohr-Chirurgie geworden. Die Vermittlung von Denkanstößen, die Wegbereitung für die Durchsetzung von wissenschaftlichen und klinischen Konzepten waren der ideale Nährboden für eine höchst erfolgreiche Tätigkeit geschickt ausgewählter Mitarbeiter. Dies zeugt auch von seiner hervorragenden Menschenkenntnis. Seine außerordentlichen Leistungen haben zu 13 Habilitationen von Medizinern, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren an seiner Klinik geführt. Das geht aus der Besetzung zahlreicher Klinikleiter durch seine Schüler hervor.
1963 gründete Alf Meyer zum Gottesberge die Arbeitsgemeinschaft für Biochemie des Innenohres, die sich später zum »Workshop of Inner Ear Biology« weiterentwickelte und zu einer festen jährlichen europäischen Institution für Innenohr-Forscher wurde.
Alf Meyer zum Gottesberge war Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft deutscher Audiologen (und ihr erster Vorsitzender). 1953 wurde er bereits Mitglied der deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina e.V. 1962/1963 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde e.V., 1968 bis 1970 Präsident der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte e.V. (GDNÄ). Zahlreiche hochrangige nationale und internationale Fachgesellschaften haben ihn zum Ehrenmitglied ernannt: Bárány-Society Uppsala universitet, Deutsche Gesellschaft für Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Österreichische Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, International Society of Audiology und viele andere.
Die Deutsche Gesellschaft für Audiologie (DGA) ist stolz darauf, Prof. Dr. Alf Meyer zum Gottesberge durch die Ernennung zum Ehrenmitglied auf Dauer an sich zu binden.
Autor: Prof. Dr. Manfried Hoke