Die Generalversammlung der Association Européenne d’Audioprothesistes, das große Treffen aller europäischen Hörgeräte-Akustiker, das einmal im Jahr stattfindet – dieses Jahr traf man sich in Venedig -, dient zur Harmonisierung des Hörgeräte-Akustiker – Standes. Die deutsche Delegation bildeten Klaus Klingbeil, Heiner Norz, Herbert Bonsel und Leopold Russy. Jedoch bestand unsere »Truppe« diesmal nur aus 3 Delegierten, da Klaus Klingbeil zu dieser Zeit im Urlaub war.
In diesem Jahr übernahmen die italienischen Mitglieder der A.E.A. die Ausrichtung der Generalversammlung, die wegen des französischen Hörgeräte-Akustiker – Kongresses vom ursprünglichen Termin verlegt wurde und erst vom 15. bis 18. April 2000 stattfand.
Als Unterkunft für die teilnehmenden Hörakustiker hatte man ein altes Grand Hotel »des Bains«, an Venedigs Lido auserkoren.
Die Aussprache auf der Versammlung wird simultan übersetzt und zwar in die Sprachen französisch, englisch, italienisch und deutsch, sodass der Stress, der beim Zuhören eines Beitrages in einer anderen Sprache unvermeidlich ist, nicht anfällt.
Zunächst stellte Kim Ruberg das von ihm im Auftrag der Industrie entwickelte Intranet-Projekt »hear it« vor (www.HearingYou.org Website), das schon von den Verbänden präsentiert worden war und deshalb nur in seiner Philosophie dargestellt werden sollte.
Zu diesen Websites, auf denen alles, was es über den Hörgeräte-Sektor zu berichten gibt, dokumentiert wird, sollen alle Interessierten bzw. Mitglieder der teilnehmenden Verbände Zugang haben. Der Wunsch geht dahin, dass z.B. über die Abgabezahlen der Hörgeräte aller Länder unterrichtet werden soll. Man stellt sich vor, dass neben der EHIMA auch die A.E.A. und Schwerhörigen-Verbände Partner werden sollen. Angestrebt wird die Unterstützung der Regierungen und der audiologischen Forschung. Es würde ein Zusammengehen der A.E.A. (Abgeber), der EHIMA (Hersteller) und der IFHOH (Betroffene, Schwerhörigen-Verbände) resultieren. Die Inhalte der Websites müssten je nach Zielgruppe mit einer speziellen »Ansprache« erstellt werden z.B. für Journalisten, Jugendliche, Ärzte, Regierungen etc. Es könnten Botschaften darin versteckt werden, die darüber informieren, was es z.B. kostet, wenn eine Hörgeräte-Versorgung unterbleibt. Man hat errechnet, dass diese Kosten 75 Milliarden DM betragen, was einem Aufwand von 5½ Tunnels unter dem Ärmelkanal entsprechen würde.
Da es sich um keine Werbung hạndelt, darf der Name der Webpage nicht mit „.com“ enden, denn bei dieser Site besteht Gemeinnützigkeit. Die Kosten dieses Vorhabens sind immens, werden aber zunächst von der EHIMA getragen. Die Chefredaktion übernimmt Kim Ruberg, der ein anerkannter Fachmann in der Info-Branche ist. Es wird eine virtuelle Organisation gebildet, die in Belgien eingetragen wird und nur ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt. Tom Westermann meinte das die neue Idee der Aufklärung über Hören und Hörgeräte auf europäischer Ebene nur Vorteile für alle Partner böte, weil die Information völlig neutral erfolge und professionell abgewickelt werde. Die Hauptsprache sei – aus Kostengründen – englisch, doch Berichte der einzelnen Länder würden in ihrer Heimatsprache erscheinen und eine Kurzfassung in englischer Sprache würde zur Verfügung gestellt werden.
Ein Vertreter der A.E.A., so ist es geplant, solle im Entscheidungsgremium über Veröffentlichungen vertreten sein. Zunächst sind 500 Seiten geplant. Eine Übersetzung in alle Sprachen komme wegen der hohen Kosten nicht in Betracht.
Es wurde anschließend lebhaft diskutiert, ob die A.E.A. offizieller Partner werden solle. Ausschlaggebend für die spätere Zustimmung war, dass die Mitgliedschaft keine Kosten verursacht und dass eine Einflussnahme auf die Inhalte nur durch Mitwirkung der A.E.A. erzielbar ist.
A.E.A.-Präsident Juan San José Martinez, berichtete über den EHIMA-Kongress in Brüssel, der wegen der geringen Beteiligung kein Erfolg gewesen ist. Dennoch sei es wichtig, dass die A.E.A. dort mit einem Stand vertreten war. Doch die Industrie signalisierte, dass eine Wiederholung nicht vorgesehen sei.
Die Ausführungen über das Programm »Leonardo da Vinci« zeigen, dass jetzt ein Ende der Arbeiten abzusehen ist. Eine Internet-Site, die alle erarbeiteten Beschlüsse und deren Folgerungen darlegt, ist in Vorbereitung. Das Programm will die Harmonisierung des Berufes auf europäischer Ebene sicherstellen. Dazu war es zunächst erforderlich, den »Status Quo« der Berufsausübung inklusive der Ausbildungsinhalte zu ermitteln.
Modul II hatte zur Aufgabe, den Inhalt der Ausbildung und deren Prüfung festzulegen.
Die nächste Stufe, Modul III, soll die schulische Vermittlung sicherstellen.
Das Modul IV schließlich betrifft die Fort- und Weiterbildung mit Zeitaufwand und Ausbildungsstätten und ist noch nicht ganz vollendet.
Noch in diesem Sommer muss die Arbeit, die von der EU gefordert und unterstützt wird, abgeschlossen sein.
Der nächste Punkt des Berichtes bezog sich auf das »ständige Sekretariat«, ein Büro in Brüssel, das unbedingt gefordert werden muss. Unser Berufsstand ist noch in vielen EU-Ländern nicht sonderlich präsent und / oder hat ein schlechtes Image. Nur über die europäische Schiene ist es möglich, eine Verbesserung zu erzielen, wozu eine effektive PR-Arbeit beitragen kann. Nur ein gut ausgebildeter Berufsstand auf europäischer Ebene verhindert das Eindringen von anderen Berufsgruppen. Deshalb steht Martinez auf dem Standpunkt, dass der Hörgeräte-Akustiker eine universitäre Ausbildung oder Vergleichbares anstreben muss. Entsprechend anspruchsvoll ist auch die Festlegung der Inhalte und der Zeitdauer im Rahmen des Leonardo-Projektes ausgefallen.
Um die Finanzierung des in Brüssel einzurichtenden Büros, das schon im Sommer eröffnet werden soll, wurde heftig gerungen. Die Idee, einen Betrag je abgegebenes Hörgerät zu erheben, hätte zur Folge, dass Deutschland den Löwenanteil der Kosten beisteuern müsste. Schließlich wurde entschieden, dass für das 2. Halbjahr so verfahren wird, dass aber in Zukunft ein anderer Schlüssel gefunden werden muss. Denkbar wäre eine Kombination mit der Stimmenzahl des Landes und der Abgabemenge. Darüber muss nun das Büro entscheiden. Fest steht, dass Deutschland mit der Kopplung allein an die Stückzahlen nicht einverstanden sein kann. Einigkeit herrschte aber darüber, dass das Büro so schnell wie möglich eröffnet werden muss. Die Abstimmung über das Büro in Brüssel ergab 51 Ja-Stimmen und 15 Enthaltungen bei einer Gesamt-Stimmenzahl von 66. Bei der Abstimmung über das EHIMA-Projekt »hear it« stimmten 56 dafür und 10 enthielten sich der Stimme. Die Beiträge der A.E.A. für dieses und das nächste Jahr sollen unverändert bei 600 Euro bleiben.
Traditionsgemäß stand sodann eine »Tischrunde« auf dem Programm, bei der jedes Land über seine Situation berichten konnte.
Martinez rühmte abschließend die gute Zusammenarbeit der A.E.A. mit dem BIAP. Aufgaben und Ausbildungs-Ordnungen sind ausschließlich Sache der A.E.A. Das BIAP ist bei multidisziplinären Aufgaben gefragt.
Im Rahmenprogramm, das infolge der Themenfülle einerseits und der von Touristen überfüllten Lagunen-Stadt andererseits sehr konzentriert war, blieb dem Chronisten vor allem eine nachmittägliche Bootsfahrt zur Glaskünstler-Insel Murano mit Besichtigung einer Glasbläserei und der malerischen Insel Murano in Erinnerung.
Autor: Herbert Bonsel