Zugangs-Beschränkungen zum Handwerk (To be Insider in 4 Minute n)

Zur Änderung der deutschen Handwerksordnung nimmt das Deutsche Handwerks-Institut (DHI) wie folgt Stellung:
Durch die Novellierung der Handwerksordnung sollen die Zugangsbeschränkungen zum Handwerk erleichtert werden. Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung bedarf es in 65 Gewerken zukünftig keinerlei Qualifikation mehr, um Handwerksunternehmen zu führen. Bei 29 Gewerken ist zwar grundsätzlich noch der Meisterbrief vorgesehen, hier können jedoch auch Gesellen, die 10 Jahre lang in verantwortungsvoller Position tätig waren, mit Ausnahme-Genehmigung einen Handwerksbetrieb gründen. Die Bundesregierung hat die geplante Novellierung u.a. damit begründet, dass es darum gehe, die Handwerksordnung „europatauglich» zu machen. Dies beruht auf der Annahme, dass in Deutschland höhere Zugangs-Beschränkungen zum Handwerk bestehen als in den meisten anderen Ländern der EU.
Dies stimmt jedoch nicht so. Vielmehr lässt sich in anderen EU-Ländern eine gewisse Tendenz beobachten, Hürden für eine Selbständigkeit im Handwerk aufzubauen. So ist es in Frankreich beispielsweise seit 1998 für einige Berufe ein erfolgreicher Abschluss der Lehrzeit (Gesellenprüfung) bzw. eine vergleichbare Qualifikation erforderlich, um sich in die Handwerks-Rolle eintragen zu lassen.
Noch interessanter ist jedoch das belgische Beispiel. Dort wurden vor kurzem, am 1. Juli 2003, die Qualifikations-Nachweise stark erhöht. In den 42 dort reglementierten Berufen – dies sind nach deutschem Recht fast alles Handwerksberufe – werden nun Betriebsführungs-Kenntnisse und berufsspezifische Kenntnisse verlangt. Diese können nachgewiesen werden entweder durch ein Gesellendiplom, einen Meisterbrief, ein Hochschuldiplom oder entsprechende berufliche Erfahrungen in dem Fachbereich. In einigen Berufen (u.a. Fotograf, Zahntechniker, Optiker, Zentralheizungsinstallateur, Bestattungsunternehmen, Gebäudeabriss) reicht sogar ein Gesellendiplom nicht aus. Wenn in Deutschland die Novellierung in der vorliegenden Form in Kraft tritt, würde dies bedeuten, dass für eine Reihe von Handwerksberufen, wie z.B. Bäcker, Maler und Lackierer, Textilreiniger, Steinmetz, die Qualifikationserfordernisse zur Gründung eines Handwerksbetriebes in Belgien höher sind als in Deutschland. Aber auch wenn der Handwerksbetrieb in Belgien nicht zu den 42 nicht reglementierten Berufen gehört, ist es nicht ohne weiteres möglich, sich selbständig zu machen. Vielmehr sind auch hier Betriebsführungs-Kenntnisse notwendig. Diese können nachgewiesen werden durch ein Abiturzeugnis mit wirtschaftlicher Ausrichtung, einen Meisterbrief, ein Schnellkursdiplom oder eine ausreichende Berufserfahrung. Letzteres bedeutet eine ehemalige Tätigkeit als Selbstständiger während der letzten 15 Jahre oder eine Tätigkeit von mindestens 5 Jahren in einer leitenden Funktion.
Die Beispiele aus Belgien und Frankreich zeigen, dass es sich dort nicht bewährt hat, wenn Existenzgründer über keinerlei oder nur minimale Qualifikationen verfügen. Daher sind hier in den letzten Jahren einige Hürden errichtet worden. Man erhofft sich davon, dass die Existenzgründer dadurch bessere Voraussetzungen mitbringen, um in ihrer Branche erfolgreich bestehen zu können. Der deutsche Gesetzgeber sollte diese Erfahrungen berücksichtigen, bevor er den umgekehrten Weg geht und Qualifikationsnachweise für Existenzgründer im Handwerk reduziert oder gar ganz abbaut.

 

Autor: Thomas Keck

Thomas Keck ist durch seinen Beruf als Hörsystemakustiker bestens mit der Präzision und Sorgfalt vertraut, die sowohl für die technische Arbeit als auch für den direkten Kundenkontakt erforderlich sind. Sein Werdegang zeugt von einer kontinuierlichen Entwicklung und einem hohen Maß an Fachwissen, unterstrichen durch den Meisterbrief und die Selbstständigkeit. Er verfolgt seine Interessen mit Leidenschaft und widmet sich einer Vielzahl von Aktivitäten, von Musik über die Beschäftigung mit Oldtimern bis hin zur Werteschätzung der Bibel. Thomas bewundert Menschen, die in ihrem Feld Spitzenleistungen erbringen, wie diverse Musiker und Schauspieler. Dies deutet auf eine hohe Wertschätzung für Expertise und handwerkliches Können hin.

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