Eines von 39 Alben aus dem großen Repertoire der Rolling Stones herauszugreifen und in die Reihe der Beispiele legendärer Rockmusik zu stellen, ist nicht einfach. Welches Album ist typisch für die Stones, welches von überdurchschnittlicher Qualität? Darüber kann man streiten.
„Beggars Banquet“,
„Sticky Fingers“,
„Exile On Main Street“ sind sicherlich geeignete Kandidaten, während
„Between The Buttons“,
„Dirty Work“ und
„Undercover“ wohl kaum in Frage kommen. Wir haben uns für „Let It Bleed“ entschieden, zumal dieses Album nun in einer DSD-Remastered Version vorliegt. Es ist keine „Best Of“-Veröffentlichung, sondern das originale Konzept-Album aus dem Jahr 1969. Viele große Hits darf man also nicht erwarten, dafür aber ein in sich homogenes R&B Album von hoher Qualität aus den besten Jahren der Stones. Michael Kevin Taylor war gerade zu der Band gestoßen und hatte sie spürbar neu inspiriert. Vorbei war auch der Irrweg der Flower Power Periode, der solche Niedlichkeiten wie „Dandelion“ und „She’s A Rainbow“ hervorgebracht hatte. Die Stones hatten begriffen, das ihre Zukunft nur bei den Wurzeln des Blues liegen kann. So enthält „Let It Bleed“ ein paar beispielhafte Stücke dieses Genres wie das stimmungsvolle „Love In Vain“, das melodiöse „You Got The Silver“ und das rockige „Live With Me“. Der Super-Hit „Honky Tonk Women“ ist hier in einer launigen Country-Version zu hören, die auch von dem schrägen Gefidel eines Yankee Doodle Musikanten nicht verdorben wird. Als Single-Auskopplungen sehr erfolgreich waren auch das sich langsam aus einer Fuge herausentwickelnde und spannungsreich sich steigernde „Gimme Shelter“ und das immer noch unter die Haut gehende „You Can’t Get Always What You Want“, das hier in der langen Version mit dem einleitenden Londoner Bach Choir und dem schönen Horn-Solo zu hören ist. Auch das spektakuläre und sexistische, zweimal Rhythmus und Tempo wechselnde „Midnight Rambler“ ist dabei. Das Stück ist allerdings in der Live-Version auf dem Album „Get Yer Ya Ya’s Out“ (1970) noch wesentlich explosiver, das jetzt ebenfalls DSD-Remastered erhältlich ist. „Get Yer Ya Ya’s Out“ ist zweifellos das beste Live-Album, das die Stones je gemacht haben, vielleicht der Rock-Musik überhaupt. Es liefert einen eindrucksvollen Beleg dafür, warum sie vor allem als Live-Band so langlebig und erfolgreich sind. Dass man nur 9 Tracks auf „Let It Bleed“ findet, muss man hinnehmen. Das war damals so, mehr passte auf eine Vinylscheibe nicht drauf. Dafür braucht man die CD nicht umzudrehen. Bislang gibt es nur das Stones-Repertoire aus der Decca-Periode (bis 1970) im DSD-Verfahren aufgefrischt. Das sind aber immerhin schon 21 Alben. Vermutlich wird CBS mit seinem Fundus (bis 1986) demnächst folgen. Danach, in der Virgin Periode, wurde ohnehin schon alles digital aufgenommen. Zu einer „remastered“-CD, die im DSD-Verfahren hergestellt wurde, an dieser Stelle nur so viel: sie ist auch mit einem normalen CD-Player deutlich besser als eine normale CD, den vollen Hörgenuss hat man aber nur mit einem SACD-Player, einem 5-kanaligen Verstärker und 5 Lautsprechern. Mehr über die
* Direct-Stream-Digital-Technologie (DSD)