Unter dem Titel »Schluss mit dem Klingeln im Ohr« brachte die Programm-Zeitschrift FUNK UHR (Nr. 33 vom 16. August 2003) einen Aufmerksamkeit heischenden Beitrag über »Neue Therapien, neue Medikamente: Was bei Tinnitus wirklich hilft, z.B. Noiser oder Entspannungsübungen«. Wir zitieren aus dem Inhalt:
Dieses Klingeln, Rauschen, Pfeifen, Summen und Brummen, dieser Pressluft-Hammer im Ohr: Tinnitus (lat.: »Klingeln«). Schon jeder 10. Deutsche (100’000 Neuerkrankungen pro Jahr) leidet unter den Störattacken im Ohr – immer häufiger trifft es auch Jüngere zwischen 20 und 30 Jahren. Für viele einfach nur lästig, einige treibt es zur Verzweiflung…
Wie entsteht Tinnitus?
Expertin Prof. Dr. med. Karin Schorn, HNO-Klinikum München: »Die häufigste Ursache sind Erkrankungen des Mittelohrs, des Innenohrs und in den Nervenzentren des Gehirns, die Hörsignale verarbeiten.«
Auslöser
sind z.B. auch bei Kindern eine Mittelohr-Entzündung, Stoffwechsel-Krankheiten wie Diabetes, Halswirbelsäulen-Defekte oder bestimmte Medikamente wie Antibiotika, Entwässerungs-Tabletten und Herzmittel. Oder ganz einfach zu viel Ärger und ständiger Stress. Auch ein Hörsturz, Lärm am Arbeitsplatz (Maschinen) oder in der Freizeit (Disko) können zum Dauergeräusch im Ohr führen. Ale diese Auslöser rufen Durchblutungs-Störungen im Ohr hervor.
Fachleute glauben heute auch:
Chronischer Tinnitus ist zumindest teilweise eine Art Phantomschmerz des Gehirns. Das Gehirn muss die eingehenden Sinnesreize filtern, um nicht überlastet zu werden. Es sortiert deshalb die Geräusche nach wichtig – umwichtig. Autolärm auf der Straße z.B. wird als unwichtig eingeschätzt und kaum registriert. Eine Polizeisirene dagegen löst Alarm aus. Bei Tinnitus Patienten versagt diese Filterfunktion – sie leben in einem dauernden Alarmzustand, sind innerlich angespannt und ständig auf der Hut. Das wiederum kann dazu führen, dass das Gehim Informationen der Gehörnerven falsch verarbeitet und einen eigentlich nicht vorhandenen Ton oder ein Geräusch produziert. Ein Teufelskreis aus Angst und Angstauslöser, der sich immer stärker hochschaukelt.
Tinnitus ist keine harmlose Erkrankung:
Häufige Folgen von Tinnitus sind Schlafstörungen, Angstzustände, Arbeitsunfähigkeit, sogar Depressionen, die bis zum Selbstmord führen können.
Wie sollte ein Tinnitus behandelt werden?
Tritt der Tinnitus akut auf, ist eine schnelle Behandlung mit Durchblutungs-fördernden Medikamenten sinnvoll. Substanzen wie HydroxyEthylStärke (HES) und Dextrane verbessern Blutfluss und Sauerstoff-Transport. Reiner Sauerstoff in einer Überdruck-Kammer sorgt dafür, dass vier Mal mehr Sauerstoff in die feinen Ohrgefäße transportiert wird als normal.
Aber:
Bei 15 % der Tinnitus-Patienten hilft es bereits, wenn man ihnen erklärt, dass sie nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden. Dr. Gerhard Hesse, Chefarzt der Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen: »Die Patienten sorgen sich weniger und das Ohrgeräusch verblasst.«
Patienten mit chronischem Tinnitus hilft jetzt eine neue Therapie,
die Tinnitus-Retraining – Therapie (TRT): ein Mix aus medizinischer Behandlung, Psychotherapie und Entspannungs-Übungen. Entwickelt wurde sie bereits Ende der 80er Jahre vom Neurophysiologen Prof. Pawel J. Jastreboff in Baltimore (U.S.A.). Prof. Jastreboff behandelte über 1´000 Patienten nach der TRT-Methode – mit überzeugenden Resultaten: Bei rund 80 % der Patienten gab es eine deutliche Besserung oder sogar vollständige Abheilung des Tinnitus.
Was ist das Ziel dieser Behandlung?
»Das Unterbewusstsein soll von der Wahrnehmung lästiger Geräusche abgekoppelt werden«, sagt die Leiterin des Tinnituszentrums der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Dr. Birgit Mazurek. In Therapiegruppen von maximal 8 Teilnehmern wird zuerst geübt, mit Stress umzugehen, z.B. durch Entspannungs-Techniken wie autogenes Training oder Meditation. Ein Hörtraining bringt den Patienten bei, wieder nach außen und nicht mehr nach innen zu hören. Dr. Mazurek: »Sie müssen die Ohren wieder nach außen klappen.«
Es gibt auch technische Hilfen,
z.B. den so genannten »Noiser« (um 500 €, Kostenübernahme vorher mit der Kasse klären). Er wird durch den Hörgeräte-Akustiker angepasst und ist ein Rauschgenerator, der aussieht wie ein Hörgerät. Er wird immer an beiden Ohren getragen (mind. 6 Stunden täglich) und produziert ein breitbandiges Rauschen (Fachbegriff »Rosa Rauschen«), dessen Lautstärke jeder selbst einstellen kann. Das »rosa Rauschen« rieselt sanft in die Hörmuscheln und übertüncht das bisherige Dauergeräusch im Ohr, normales Hören wird nicht beeinträchtigt. Studien haben gezeigt: Betroffene konzentrieren sich nicht mehr nur auf ihr bisheriges Ohrgeräusch, ihr Ohr »lernt«, das Rauschen als »normal« zu akzeptieren. Folge: Bei rund 80 % besserten sich die Beschwerden deutlich. Aber: Die Wirkung tritt meist erst nach mehreren Monaten ein. Ein wenig Geduld ist also immer ratsam.
Helfen auch Tinnitus-Masker (Rauscherzeuger), die das Ohrensausen durch ein »weißes Rauschen« überlagern (»maskieren«)? Die Behandlung lindert das Leiden zwar, kann es aber kaum heilen.
Mehr Infos: Deutsche Tinnitus-Liga e.V., Am Lohsiepen 18, D-42369 Wuppertal, Telefon +49 (0)2 02/24 65 20. Internet: www.tinnitus-liga.de
Unser Versprechen: wieder stärker verbunden als normalhörend!