»Themen, die unter den Nägeln brennen…«
Die 37. Fortbildungsveranstaltung der HNO-Ärzte in Mannheim hat nicht nur die Kompetenz der teilnehmenden Ärzte im Fachgebiet gefördert, sondern auch erheblich zum interdisziplinären Gedankenaustausch beigetragen.
Das vom Kuratorium der Fortbildungs-Gesellschaft vorgestellte Programmheft ließ viel Gutes erwarten:
Referate namhafter Autoren zu den Themen
Hörscreening,
Cochlear-Implants,
medikamentöse und operative Therapie der Ohrerkrankungen,
differenzierte Hörgeräteversorgung.
Die Kurse zur
arbeitsmedizinischen Gehörvorsorge,
Otoakustischen Emissionen,
Hörgeräteversorgung,
Schwindeldiagnostik,
Tinnitustherapie,
Neugeborenen-Hörscreening,
Audiometrie im Kindesalter und
das Qualitätsmanagement in der Hörgeräteversorgung waren schnell ausgebucht.
Als »Starter« hat der Kooperationsabend der Fördergemeinschaft Gutes Hören GmbH und des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte im sogenannten Vorprogramm einen festen Platz. Die offiziellen Grußadressen sind freundlich, kritisch, zukunftsgerichtet. Die Meinungsbilder vertiefen anschließend in Gesprächsgruppen die Themen, welche aktuell so manchem »unter den Nägeln brennen«. Kooperation soll heißen: Gemeinsam Handeln! Inwieweit würde die Jahrestagung hierzu beitragen können?
Die Pressekonferenz ist gut vorbereitet: Das Thema »Neugeborenen-Hörscreening – ein Anliegen der HNO-Ärzte« wird sachgerecht vorgetragen. O-Töne werden aufgenommen, zahlreiche Fragen engagierter Reporter beantwortet.
Neugeborenen-Hörscreening steht logischerweise am Beginn einer ganzheitlichen Betrachtung unseres Sinnesorgans Ohr. Wir fordern die bundesweite Einführung des Universellen Neugeborenen HörScreenings (UNHS). Die medizinisch relevanten Hörerkrankungen des Säuglings müssen in einem sehr engen Zeitraster diagnostiziert und therapiert werden:
Screening in der Geburtseinrichtung, ausnahmsweise bis zum 10. Lebenstag außerhalb.
Kontrollscreening bei auffälligen Befunden bis zum Ende der 4. Woche,
fachärztliche Diagnostik in qualifizierten Praxen oder Einrichtungen bis zum Ende des 3. Lebensmonats.
Die Therapie (medikamentös, operativ, apparativ) einschließlich Frühförderung sollte spätestens bis Ende des 6. Lebensmonats eingeleitet sein. Ein hochgestecktes Ziel… Der Bericht von Prof. Dr. Thomas Lenarz und der Beitrag von Prof. Dr. Karin Schorn zeigen: Es ist machbar. Die HNO-Ärzte sind bereit und in der Lage, das Netzwerk UNHS mit aufzubauen.
Hierzu ein aktueller Hinweis auf die Websites des Joint Committee Frühkindliches Hören: http://www.fruehkindliches-hoeren.de
Die differenzierte Hördiagnostik beim Säugling und Kleinkind erfordert Kenntnisse und Einfühlungsvermögen. Mit A. Slaby haben wir eine Persönlichkeit gefunden, die didaktisch und inhaltlich hervorragend die Tipps und Tricks bei der subjektiven Audiometrie im Kindesalter unseren Arzthelferinnen vermittelt. Zwar ist der Säugling das Zielobjekt, doch die Bezugsperson Mutter ist immer in die oftmals schwierigen Untersuchungsschritte einzubeziehen. Kinderaudiometrie ist eine zeitaufwändige Herausforderung.
Die Funktionsdiagnostik der äußeren Haarzellen mittels Messung der Otoakustischen Emissionen ist ein etabliertes Verfahren. Nicht ohne Grund wird immer die Tympanometrie vorgeschaltet. So wird sichergestellt, dass der Schall die Strecke Gehörgang – Chochlea in beiden Richtungen unbeeinträchtigt passieren kann. Die Untersuchungsbedingungen müssen optimal sein, die Interpretation der Messergebnisse gehört in die Hände des Facharztes. Während für das Screening automatisch auswertende Geräte geeignet sind, werden an die Diagnostik-Geräte entsprechend qualifizierte Anforderungen gestellt. Prof. Hamann ist ein erfahrener Experte, der audiologische und neuro-otologische Untersuchungsmethoden so vermittelt, dass nicht viele Fragen offen bleiben.
Die Erkrankungen des Mittelohres, insbesondere die Behandlung des Cholesteatoms sind für den HNO-Arzt auch heute noch »Tagesroutine«, wenngleich durch die frühzeitige Intervention durch den Facharzt zum Beispiel beim Paukenerguss und bei chronischen Eiterungen die Gesamtzahl drastisch rückläufig ist. Auch hier zeigt sich, wie wichtig die Binokular-mikroskopische Untersuchung der Ohren sowie die Tympanometrie sind. Bildgebende Verfahren ergänzen das Spektrum der Untersuchungsmethoden.
Die Therapie des Tinnitus wird hier insofern erwähnt, als von verschiedenen Anbietern sowohl medikamentöse als auch apparative Therapieoptionen vorgestellt werden. Die Kommentare einzelner Zuhörer beim Verlassen der Symposien gebe ich nicht wieder, um nicht in wettbewerbsrechtlich komplizierte Diskussionen verwickelt zu werden.
Das Thema Hörgeräte nimmt bei dieser Fortbildungs-Veranstaltung einen breiten Raum ein. Das Qualitätsmanagement der Hörgeräteversorgung wird bundesweit mit großem Erfolg von HNO-Ärzten, Hörgeräte-Akustikern und Arzthelfer:innen angenommen. Die hier angebotenen Module sind voll ausgebucht. Beeindruckend sind die Diskussionsbeiträge der Hörer. Die Materie ist anspruchsvoll, es geht hier um Vorstellung innovativer Technik, doch auch ganz besonders um das Verständnis der Patho-Physiologie des Hörens, das Einfühlen in die Bedürfnisse des Kommunikations-gestörten Patienten, die Feinanpassung, die Betreuung.
Gemeinsam immer besser werden
ist das angemessene Motto.
Um eine differenzierte Hörgeräte-Versorgung mit den modernen digitalen Hörsystemen optimal durchführen zu können, bedarf es eines umfangreichen Wissens, einer soliden handwerklichen Ausbildung und einer reichen praktischen Erfahrung. Wer kann dies didaktisch und emotional besser vermitteln als Reimer Rohweder? Der Diplom-Ingenieur spricht zu den Ärzten. Das Vokabular ist ungewohnt, man fragt nach, wird in die Grundlagen der Akustik eingeführt und erinnert sich an die Physikkurse im Studium. Ein interaktiver Kurs für wissbegierige HNO-Ärzte zu den Themen
»Verlauf der Hörschädigung,
Stationen der Rehabilitation,
Zusammenarbeit der Beteiligten,
technische Möglichkeiten,
komplexe Anpaß-Systeme« erfordert die konsequente Aufmerksamkeit. Am Ende sind alle begeistert. Die Aussagen:
Die technische Rehabilitation Hörgeschädigter ist ein komplexer Vorgang.
Die technischen Mittel allein sind keine Garantie für eine erfolgreiche Versorgung.
Dipl.-Ing. Reimer Rohweder
Nur die Zusammenarbeit aller Beteiligten sichert eine gute Hörgeräte-Anpassung.
Dipl.-Ing. Reimer Rohweder
treffen zu und werden akzeptiert.
Dieser Überblick über die audiologischen Themen der gut besuchten Fortbildungsveranstaltung darf nicht enden, ohne noch auf den gut besuchten Stand der Fördergemeinschaft Gutes Hören hinzuweisen. Die effektive gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit wird auch von den HNO-Ärzten sehr positiv bewertet.
Autor: Hans-Udo Homoth