Von der Sitzung der Arbeitsgruppe »Audiologische Akustik« der Informationstechnischen Gesellschaft (ITG) in Heidelberg
Die Zahl »13« bringt durchaus nicht immer Unglück. Zumindest nicht für die zum 13. Mal von Dr. Wolfgang H. Döring (Aachen) geleitete jährliche Sitzung der Fachgruppe »Audiologische Akustik« der Informationstechnischen Gesellschaft (ITG), die im Oktober 2003 an der Heidelberger Kopfklinik stattfand – wie üblich in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis »Audiologie« der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) e.V. und dem Fachausschuss »Hörakustik« der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) e.V. sowie der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA) e.V. Das Ziel der Tagung bestand darin, in einem überschaubaren aber offenen Teilnehmerkreis umgrenzte und aktuelle Themen aus der Audiologie auf der Grundlage von Referaten namhafter Experten zu diskutieren und dadurch den Wissensstand der Teilnehmer zu erweitern. Eine Mitgliedschaft in dieser Gruppe oder einer ihrer Dachverbände ist möglich, aber nicht Bedingung für die Teilnahme an den Diskussions-Sitzungen.
Die Diskussions-Sitzung 2003 hatte ein vielversprechendes Thema zum Inhalt: die »Automatisierte Auswertung von Messungen in der Audiologie: Von der Signalanalyse zur Befunderstellung«. Dieses Thema ist in der Audiologie sehr aktuell und es erweckt besonders in der objektiven Audiometrie großes Interesse. Die acht Referate waren in drei Blöcke zu den Bereichen OtoAkustische Emissionen (OAE), Hörgeräte-Anpassung und Akustisch Evozierte Potenziale (AEP) aufgeteilt.
Otoakustische Emissionen
Automatische Auswertung
Die Auseinandersetzung mit den maschinellen Hilfsmitteln zum Nachweis und zur Auswertung der OAE (otoakustischen Emissionen) begann – aus der Sicht eines Herstellers – Dr. André Lodwig (Fischer-Zoth Diagnose-Systeme GmbH, Germering) mit seinem Vortrag über die »Automatisierte Auswertung von Hörscreening-Messungen«. Anstelle der visuellen Auswertung von Messdaten durch erfahrene Untersucher tritt bei Hörscreening-Untersuchungen mittels OAE oder ABR zunehmend eine automatische Auswertung. Von den Verfahren wird erwartet, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen zu sicheren Entscheidungen (unauffälliges / nicht unauffälliges Ergebnis) führen. Beim Vergleich von Auswerteverfahren ist daher die Berücksichtigung der Messbedingungen von entscheidender Bedeutung. Außerdem kann nicht immer streng zwischen Messung und Auswertung getrennt werden. Vielmehr ist es sinnvoll, die Auswertung schon während der Messung durchzuführen, um den Messprozess beeinflussen zu können. So können Messdauer, Reizrate etc. anhand der erkannten OAE bzw. ABR (auditory brainstem responses) oder anhand erkannter oder vermuteter Artefakte modifiziert werden.
Der Vergleich solcher Methoden ist grundsätzlich aber schwieriger als die Prüfung von Offline-Verfahren, weil nicht mehr beliebig viele verschiedene Algorithmen auf einen gleichen Satz von Rohdaten angewendet werden können. Für solche Verfahren ist es von Vorteil, schnell auf sich verändernde Bedingungen reagieren zu können. Das macht kürzere Messabschnitte wünschenswert.
Wie sich zeigen lässt, ist aber beispielsweise eine kürzere FFT-Länge zur Detektion von DPOAE keineswegs weniger trennscharf, wenn man eine konstante Messzeit zugrunde legt. Zeitbereichs-Verfahren für transitorisch evozierte OAE oder ABR, welche die Messparameter nötigenfalls nach jedem Reiz (Click) anpassen können, sind trotzdem meist reaktionsschneller als Frequenzbereichs-Verfahren, weil die FFT-Länge dort meist aus anderen Gründen nicht beliebig reduziert werden kann. Außerdem ist eine Reizraten-Modulation in weiten Grenzen möglich, was die Empfindlichkeit gegen periodische Störsignale (und damit die Wahrscheinlichkeit falsch negativer Ergebnisse) drastisch reduzieren kann.
Solche Störsignale (von Telefonen, Monitoren oder Schaltnetzteilen) kommen in typischen Screening-Situationen weit häufiger vor als in klinischen Messräumen. Verfahren, die nur für Rauschsignale sensitiv sind, können in Anwesenheit solcher periodischer Störsignale völlig versagen.
Automatische Bestimmung
Auf die Aussichten, aus der Messung der otoakustischen Distorsions-Produkte (DPOAE) automatisch die Hörschwelle bestimmen zu können, ging anschließend Prof. Dr. Thomas Janssen (HNO-Klinik der Technischen Universität München) mit seinem Vortrag »Automatische Bestimmung der DPOAE-Schwelle« ein.
Die mit 2 Tönen ausgelösten DPOAE stellen die beste objektive Methode zur quantitativen und frequenzspezifischen Erfassung der Schallverarbeitung in der Cochlea dar. Paul Boege und Janssen haben eine auf den extrapolierten DPOAE I/O-Funktionen basierende Methode vorgeschlagen, mit deren Hilfe eine automatisierte Bestimmung der DPOAE-Schwelle und somit eine Schätzung des Hörverlustes möglich ist.
Eine Bestätigung der Ergebnisse und Erweiterung der Methode erfolgte kürzlich durch Gorga et al. (JASA 2003). Es konnte an erwachsenen Patienten eine enge Beziehung zwischen dem Hörverlust im Tonschwellen-Audiogramm und der geschätzten DPOAE-Schwelle mit einem mittleren Fehler von nur 2.9 dB und einer Standard-Abweichung von 11 dB gefunden werden. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Güte der Hörschwellen-Schätzung von der Frequenz und der Hörverlust-Klasse abhängig ist.
Nach einer Einführung in die Methode wurden die verschiedenen Kriterien zur Akzeptanz einer DPOAE-Messung und zur Akzeptanz des Fittings der DPOAE I/O – Funktion diskutiert und mögliche Ursachen für die Vorhersagefehler bei den kritischen Frequenzen und Hörverlust-Klassen analysiert.
Eine wesentliche Rolle spielt die Kalibrierung des Schalldrucks im Gehörgang, die wegen des Auftretens stehender Wellen problematisch ist.
Janssen berichtete auch über die Korrelation zwischen Hörverlust und Steigung der DPOAE I/O – Funktion an Innenohr-schwerhörigen Patienten und diskutierte die damit verbundene Möglichkeit zur objektiven Bestimmung des Recruitments.
Abschließend wurden die Ergebnisse einer Neugeborenen-Studie und einer tierexperimentellen Studie sowie die daraus resultierende Aussicht auf eine automatisierte Erfassung temporärer Schallleitungs-Funktionsstörungen bei Neugeborenen vorgestellt.
Audiologische Diagnostik
Hans Oswald (Institut für Realzeit – Computer-Systeme (ei-RCS) der Technischen Universität München [, heute School of Computation, Information and Technology]) erweiterte die Betrachtung von Expertensystemen auf einen allgemeinen, nicht auf die Audiologie beschränkten Bereich.
In seinem Vortrag »Expertensysteme in der audiologischen Diagnostik« ging er zunächst auf die ersten erstaunlichen Forschungsergebnisse im Bereich der Expertensysteme in der Medizintechnik zu Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein. Entgegen der damaligen Euphorie konnten sich trotz eines Wandels der zugrundeliegenden Ansätze von Flussdiagrammen und algorithmischen Verfahren hin zu wissensbasierten Systemen und fallorientierten Ansätzen in der medizinischen Diagnostik keine allumfassenden, dauerhaften Erfolge einstellen.
Auch im Bereich der audiologischen Diagnostik finden häufig nur jeweils separat entwickelte technische Speziallösungen ihre Anwendung, die das vorhandene Expertenwissen unter technischer Hilfestellung auch für den Laien verwendbar zu machen versuchen. Als integrierter Bestandteil für allumfassende Diagnose- und Informations-Systeme könnten jedoch probabilistische Expertensysteme in Zukunft durchaus unabhängig von Insellösungen ihre Anwendung finden.
Nach einem Überblick über Expertensysteme in der medizinischen Diagnostik stellte Oswald diverse Ansätze und deren Schwächen auszugsweise vor, und er ging auf einige beispielhafte Umsetzungen audiologischen Expertenwissens einer auf maximaler Entropie basierten Expertensystem-Shell (SPIRIT) näher ein.
Die vorgestellten Beispiele bildeten die Grundlage für die Diskussion zukünftiger gemeinsamer Anstrengungen und Synergien im Bereich der audiologischen Diagnostik.
Hörgeräte-Anpassung
Hörfeld-Skalierung
Das Referat von Dr. Volker Hohmann (Medizinische Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) befasste sich mit »Algorithmen zur automatischen Auswertung von Hörfeld-Skalierungen«, die zusammen mit Thomas Brand, Daniel Berg und Tobias Peters auf ihren Nutzen bei der Anpassung moderner Hörgeräte geprüft wurden.
Die Notwendigkeit neuer und komplexerer Anpassverfahren ergibt sich aus der zunehmenden Komplexität der Signalverarbeitung, z.B. der zunehmenden Anzahl von Frequenzbändern oder der Verfügbarkeit einer Hörsituations-abhängigen Verstärkungs-Regelung, sowie aus der zunehmenden Signalqualität der Hörgeräte.
Für die verbesserte Anpassung von Kompressions-Algorithmen bietet sich möglicherweise die Methode der adaptiven Lautheits-Skalierung nach Brand an. Das Ziel des weiteren Studiums dieser Methode ist daher die Untersuchung ihrer Anwendbarkeit zur Hörgeräte-Anpassung. Die Methode umfasst eine adaptive Steuerung der Darbietungspegel zur automatischen Anpassung des angebotenen Dynamikbereichs an die individuelle Restdynamik sowie eine spezielle »gekrümmte« Modellfunktion zur Beschreibung des Anstiegs der Lautheit mit dem Pegel.
Die bisher mit der Hörfeld-Skalierung erzielten Ergebnisse zeigen, dass mit dieser Methode relevante Information über den Hörverlust zusätzlich zu den Daten des Audiogramms gewonnen werden kann. Insbesondere lässt sich zeigen, dass die Unannehmlichkeits-Schwelle im individuellen Fall nicht aus der Hörschwelle vorhergesagt und mit der Hörfeld-Skalierung zuverlässig gemessen werden kann. Dies belegt den diagnostischen Wert der Hörfeld-Skalierung und rechtfertigt Anstrengungen zur Standardisierung der Methode für die audiologische Diagnostik.
Für den Einsatz der Methode bei der Hörgeräte-Anpassung fehlen jedoch noch die Grundlagen. Unklar ist, wie die Dynamik-Kennlinien für Hörgeräte aus den gemessenen Daten abgeleitet werden sollen und wie dies von weiteren Hörgeräte-Parametern, etwa die Anzahl der Frequenzbänder und die Wahl der AGC-Zeitkonstanten, abhängt. Dazu sind weitere Untersuchungen mit einem umfangreichen Patientenkollektiv zur Wechselwirkung zwischen Anpassmethode und Kompressions-Algorithmus notwendig.
Wünschenswert wäre dazu außerdem eine weitere Beschleunigung der Hörfeld-Messung. Dazu sollte insbesondere eine gleichzeitige Anpassung der Lautheits-Funktionen an die Daten aller Frequenzen sowie eine adaptive Steuerung der Messfrequenzen je nach Hörverlust untersucht werden, um Steilabfälle besser vermessen zu können.
Präskriptive Hörgeräte-Anpassung
Die Hörfeld-Skalierung griff Dr. Matthias Latzel (Funktionsbereich Audiologie, Hals-, Nasen- und Ohrenklinik der Justus-Liebig – Universität Gießen) auf in seinem Vortrag »Präskriptive Hörgeräte-Anpassung basierend auf den individuellen Pegel- / Lautheits-Funktionen«.
Bekanntlich verwenden die meisten Anpassregeln die individuellen Daten des Patienten nur sehr unzulänglich, da die Vorausberechnung der benötigten Verstärkung nur auf Basis der Hörschwelle und/oder zusätzlich der Unbehaglichkeits-Schwelle erfolgt.
Um die Berechnung der Zielverstärkung auf zuverlässigere Daten des Hörgeschädigten zu stützen, wurde im Kompetenzzentrum für Hörgeräte-Systemtechnik HörTech gGmbH [des heutigen Hörzentrum Oldenburg] ein präskriptives Anpassverfahren entwickelt und erprobt, das aus den individuellen Daten der Lautheits-Skalierung die Zielverstärkung mit einer höheren Genauigkeit berechnet. Auf diesem Wege kann der individuelle Restdynamik-Bereich besser abgeschätzt werden.
Dieses Lautheits-basierte Anpassverfahren wurde in einer ersten Feldstudie mit hörgeschädigten Probanden erprobt. An der Studie nahmen 20 Versuchspersonen mit mittel- bis hoch-gradigen Hörverlusten teil. Die Studie diente einerseits der Erprobung eines im Rahmen von HörTech entwickelten PC-basierten HiFi-Hörgeräts (Master Hearing Aid – MHA) mit einer Übertragungsbandbreite von 0 bis 22 kHz und zum anderen der Überprüfung der Anpassprozedur auf der Grundlage der individuellen Lautheits- Funktionen.
Die Berechnung der Zielverstärkung erfolgte nach dem Prinzip der vollständigen Lautheits-Restauration durch eine direkte Transformation der gefitteten nicht-linearen Lautheits-Funktionen in die I/O-Kurven des 11-Kanal WDRC-Hörgeräts (Wide Dynamic Range Compression). Da das HiFi-Hörgerät über eine Bandbreite bis 22 kHz verfügt, werden erstmals auch die Daten der Lautheits-Funktion bei 6 kHz berücksichtigt.
Die Evaluation des Hörgerätes und der Anpassung erfolgte mit Hilfe von Lautheits-Skalierung, Sprach-audiometrischen Messungen im Störschall (Oldenburger Satztest, OLSA) und in Ruhe (Reimtest) sowie der Klangbeurteilung in verschiedenen virtuellen Hörsituationen.
Besonderes Interesse galt der Frage, ob eine komplette Wiederherstellung der Lautheit bei einer entsprechenden breitbandigen Signalverarbeitung als adäquat gelten kann. Dabei zeigte sich, dass im Hinblick auf eine bessere Spontanakzeptanz die durch diese Prozedur berechnete Verstärkung teilweise korrigiert werden muss, insbesondere, wenn breitbandige, also eher realistische Signale verwendet werden. Um einen Praxisbezug herzustellen, wurden die Daten mit denen der eigenen Hörgeräte der Probanden verglichen.
Akustisch evozierte Potenziale
Spektralbereich der schnellen Click-BERA
Den 3. und letzten Teil der Sitzung eröffnete Dr. Mario Cebulla (Klinikum der Johann Wolfgang Goethe – Universität, Zentrum der HNO-Heilkunde des UniversitätsKlinikums FrankFurt am Main) mit einem Referat über die »Auswertung im Spektralbereich bei der schnellen Click-BERA«.
Es wurde ein neuer und schneller, anhand der Daten von 25 erwachsenen Probanden und 114 Neugeborenen, entwickelter ABR – Screening-Algorithmus vorgestellt. Bei den Erwachsenen wurden die Click-Reizraten von 20/s bis 400/s untersucht. Der ABR-Nachweis erfolgte im Frequenzbereich mit einer modifizierten Version des q-sample uniform scores – Tests. Es wurden die Grundfrequenz (äquivalent zur Reizrate) und die Harmonischen bis 800 Hz ausgewertet.
Mit allen untersuchten Click-Reizraten konnten klare Antworten registriert werden. Die optimale Click-Reizrate lag bei den Erwachsenen im Bereich von 140/s bis 160/s. Der mittlere Zeitbedarf für den Nachweis einer Antwort betrug 30 Sekunden.
Um den Algorithmus bei Neugeborenen zu untersuchen, wurde dieser im Screeninggerät MB11 mit BERAphon® implementiert. Die Untersuchung erfolgte bei 114 schlafenden Neugeborenen für Click-Reizraten von 60/s bis 200/s. Die optimale Click-Reizrate lag im Bereich 80/s bis 100/s. Die kürzeste mittlere Nachweiszeit war 19 Sekunden bei einer Click-Reizrate von 90/s. Da mit dem BERAphon® das Kleben von Elektroden entfällt, ist auch die Vorbereitungszeit sehr kurz. Die für das BERA-Hörscreening erforderliche Zeit unterscheidet sich damit nur wenig von dem Zeitaufwand für das Hörscreening mit einem OAE-Gerät.
Das neue ABR-Screeningverfahren bietet noch einen weiteren Vorteil: Bei weiterhin einkanaliger EEG-Registrierung ist ein simultanes Hörscreening beider Ohren möglich. Dazu muss nur ein zweiter Reiz mit geringfügig veränderter Reizrate auf das andere Ohr gegeben werden. Aufgrund der unterschiedlichen Reizraten für das rechte und linke Ohr überlappen sich die Antworten im Zeitbereich, im Frequenzbereich können sie jedoch leicht separiert und statistisch ausgewertet werden.
Amplitude Modulation Following Responses (AMFR)
Auch Dr. Roland Mühler (Abteilung für Experimentelle Audiologie und Medizinische Physik an der Universitätsklinik für HNO-Heilkunde Magdeburg A.ö.R.) zeigte in seinem Vortrag über die »AMFR – eine Möglichkeit zur objektiven Bestimmung des Hörschwellen-Verlaufs«, dass die Zukunft der automatischen Audiometrie wohl eher im Frequenz- als im Zeit-Bereich liegt.
Gegenwärtig stellt die Registrierung von Hirnstamm-Potenzialen die am weitesten verbreitete Methode zur Bestimmung der Hörschwelle im Rahmen der objektiven audiologischen Diagnostik dar. Trotz seiner weiten Verbreitung ist dieses Verfahren mit einer Reihe methodischer Probleme verbunden. Dazu zählen insbesondere die mangelnde Frequenz-Spezifität bei einer breitbandigen Stimulation, die geringe Aussagekraft im tieffrequenten Bereich und die hohe Subjektivität der Auswertung.
Einen möglichen Ausweg aus diesen Problemen könnte die Registrierung von Amplitude Modulation Following Responses (AMFR) darstellen. Diese Potenziale besitzen auf Grund ihrer schmalbandigen Stimulation eine hohe Frequenz-Spezifität und lassen Aussagen bis in den niederfrequenten Bereich des Hörens zu. Einen weiteren Vorteil stellt der objektive Nachweis dieser Potenziale auf der Basis etablierter statistischer Verfahren dar.
Umfangreiche Untersuchungen zum Einfluss der Stimulations-Parameter und der Ableit-Bedingungen haben gezeigt, dass die Registrierung der AMFR ein erfolgversprechendes audiologisches Werkzeug darstellt. Für den audiologischen Einsatz der AMFR standen bisher besonders Fragen nach der optimalen Modulations-Frequenz, nach dem Einfluss der Vigilanz auf die Potenzialausbildung und der Nutzung bei der objektiven Bestimmung der Hörschwelle im Vordergrund.
Mit der Einführung erster kommerzieller AMFR-Messplätze rücken Fragen der Standardisierung von Messbedingungen und statistischen Tests verstärkt in den Blickpunkt.
SAEP seit 1937
Priv.-Doz. Dr. Ulrich Hoppe (Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie in der HNO-Klinik des Uni-Klinikums Erlangen) begann seine Ausführungen zum Thema »Automatisierte Auswertung von späten akustisch evozierten Potenzialen« mit einem interessanten historischen Rückblick: Die Ableitung von späten akustisch evozierten Potenzialen von der Kopfoberfläche am Menschen ist seit 1937 bekannt und hat in den vergangenen Jahren durch die Beschreibung endogener Potenzial-Komponenten wie der Mismatch Negativity und der Welle P300 breite Anwendung in unterschiedlichen Disziplinen erfahren. Eine automatisierte Auswertung ist daher von besonderem Interesse sowohl für die angewandte Forschung als auch für die klinische Routine.
Von einer automatisierten Auswertung wird erwartet, dass sie zum einen eine objektive Beurteilung der Messungen und zum anderen quantitatives Maß für die Güte einer Messung liefert. Im Vergleich zu den Hirnstamm-Potenzialen ist das Signal-/ Rausch-Verhältnis bei späten Potenzialen günstiger, da die Potenzial-Generatoren näher an der Kopfoberfläche liegen. Auf der anderen Seite ist die Stabilität des Signals über typische Messzeiträume von mehreren Minuten nicht immer gewährleistet. Vigilanzschwankungen können zum Beispiel dazu führen, dass die Potenzial-synchrone Mittelung zu unzureichenden Ergebnissen führt. Daher wurden Anstrengungen zur Analyse von einzelnen EEG-Epochen unternommen.
Andere Arbeiten zielen darauf ab, Parameter zur Beschreibung der Signalqualität zu bestimmen. In seinem Vortrag stellte Hoppe die Prinzipien der unterschiedlichen Verfahren vor und beschrieb ihre Eigenschaften.
Resümee
Insgesamt zeigten die Präsentationen dieser Diskussions-Sitzung, dass die Audiologie trotz zahlreicher zur Verfügung stehender Verfahren bisher nur wenig von der technisch durchaus realisierbaren Automatisierung durchsetzt ist. Eine automatische Befunderstellung trat eigentlich nur im Titel zu dieser Veranstaltung in Erscheinung. Die praktische Anwendung ist hiervon noch weit entfernt – und es besteht auch keineswegs Einigkeit darüber, ob dieses Ziel wirklich angestrebt werden sollte.
Autor: Privat-Dozent Dr. Sebastian Hoth
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Sebastian Hoth ist Leiter des Fachbereichs Audiologie des Universitätsklinikums Heidelberg • Hals-, Nasen und Ohrenklinik.
Er wurde 1954 in Santiago de Chile geboren. Nach Studium der Physik in Erlangen folgten Diplomprüfung 1978 und Promotion 1982. Von 1982 bis 1983 Mitarbeit im Fachbereich Audiologie der HNO-Klinik • Universitätsklinik Erlangen, seit 1983 am Uniklinikum Heidelberg.
Habilitation: 1997.
Arbeits-Schwerpunkte: Objektive Audiometrie,
Otoakustische Emissionen,
Akustisch Evozierte Potentiale,
Cochlea-Implantat.
Anschrift: Univ.-HNO-Klinik, im Neuenheimer Feld 400, D-69120 Heidelberg, eMail: sebastian_hoth@ukl.uni-heidelberg.de