Das Ohr sagt uns die emotionale Wahrheit.
Rufus Beck
Der Schauspieler Rufus Beck (*1959) lebt mit seiner Familie in München. Spätestens seit dem Kinofilm »Der bewegte Mann« ist Rufus Beck dem breiten Publikum bekannt. Er arbeitet für Theater, Fernsehen, Rundfunk und schreibt Stücke. Im Moment ist er als Magier mit dem Musical-Märchen »Tabaluga und das verschenkte Glück« auf Tournee. Hierbei führt er auch Regie. Zwischenzeitlich begeistert er sein Publikum mit Lesungen. Mehrfach mit Goldenen und Platin-Schallplatten ausgezeichnet wurde Beck für die Harry Potter – Hörbücher, die er in unvergleichlicher Genialität interpretiert hat. Da wird Zuhören zum Erlebnis und Genuss – für Kinder und Erwachsene. Aus diesem Grund wird Rufus Beck am 8. Mai mit dem Goldenen Akustikus der Fördergemeinschaft Gutes Hören ausgezeichnet. Martina Stein-Lesniak nutzte die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Preisträger.
Martina Stein-Lesniak: Herr Beck, Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass Hörbücher seit einigen Jahren so erfolgreich geworden sind. Der Anspruch, den Sie an Ihre Lesungen stellen, ist hoch. Sie haben gesagt »Vorlesen soll Kino für die Ohren sein.« Sie lesen ein Buch nicht vor, Sie machen ein Ein-Mann – Hörspiel daraus. Was hat Sie dazu inspiriert? Gibt es Vorbilder?
Rufus Beck: Helmut Qualtinger ist für mich natürlich ein großes Vorbild. In »Die letzten Tage der Menschheit« hat er ja auch 60, 70 verschiedene Figuren gespielt. Das war ein geniales Sprechkunstwerk. Ansonsten haben mich immer die orientalischen Geschichtenerzähler fasziniert, die auf den Marktplätzen stehen und erzählen und gleichzeitig die Figuren spielen. Aus diesen beiden Quellen speist sich meine Faszination für das Lesen oder das Geschichtenerzählen. Ich empfinde mich als Geschichtenerzähler.
Martina Stein-Lesniak: Sie haben die Menschen für das Hören und Zuhören begeistert. Das ist viel in unserer visuellen Welt. Stellt das Zuhören für Sie einen besonderen Wert dar?
Rufus Beck: Zuhören braucht eine große Hingabe und Konzentration. Zumal das Ohr ja nicht so betrogen werden kann wie das Auge. Das Auge kann zum Beispiel nicht feststellen, aus welchen Komplementärfarben eine Farbe zusammengesetzt wird. Aber ein Ohr kann durchaus unterscheiden zwischen Einzelstimme und Akkord und beides gleichzeitig hören. Das Ohr ist das differenziertere Organ. Es sagt uns sozusagen die emotionale Wahrheit.
Martina Stein-Lesniak: Wie erklären Sie sich den Erfolg der Hörbücher insgesamt?
Rufus Beck: Durch die Mobilität verlieren wir heute viel Zeit mit Reisen. Zeitunglesen ist auf Dauer unbefriedigend. Man kommt aber nicht dazu, Bücher zu lesen. Viele merken dann, dass die Zeit im Flieger, im Zug oder im Auto eine wunderbare Zeit ist, sich vorlesen oder vortragen zu lassen. Auch Menschen, die eintönige manuelle Arbeit machen, und nicht immer nur Musik hören wollen, greifen zu Hörbüchern.
Das Lesen ist zugleich eine Interpretation für den Zuhörer. Wie klingt etwas? Derjenige, der liest, muss es interpretieren. Ein Inhalt ist nur dann vermittelbar, wenn er gut erzählt wird.
Nur wenn ich bereit bin, meine Sinne zu öffnen, bin ich bereit für den Inhalt. Die Aufbereitung ist die Kunst.
Deshalb glaube ich, dass Hörbücher dazu beitragen, dass man wieder hört und zuhört. Dazu braucht man eine innere Ruhe. Man kann sich ins Ohr, nach innen, zurücklehnen. Das hat etwas Kontemplatives.
Martina Stein-Lesniak: Bei einem anderen Interview sagten Sie, dass Sie am besten entspannen können beim Lesen, beim Sport und beim Hören. Welches Hören meinten Sie damit?
Rufus Beck: Auch ich bin viel unterwegs und höre Hörbücher. Manchmal entdecke ich dadurch Romane, die ich mir nicht gekauft hätte und die wunderbar interpretiert wurden. Letztlich glaube ich: Wer sich für das Hörbuch begeistert, greift früher oder später auch zum Original, zum Buch. Die Konzentration beim Hören braucht genau so eine Ruhe wie das Selberlesen.
Martina Stein-Lesniak: Haben Sie selbst Erfahrungen gemacht mit Hörproblemen? Kennen Sie jemanden, der nicht gut hört?
Rufus Beck: Ja, ich habe mich mit hörgeschädigten Kindern beschäftigt. Das Problem ist ja die Früherkennung, gerade bei Säuglingen. Man erkennt es oft sehr spät, dass Kinder Hörprobleme haben und dadurch auch sehr gereizt auf die Umwelt reagieren. Sie sind gereizt, weil sie ihre Umwelt akustisch nicht richtig wahrnehmen. Wir orientieren uns so stark über das Ohr, dass es uns wirklich von der Welt abschneidet, wenn wir nichts hören.
Martina Stein-Lesniak: Haben Sie schon einmal einen Hörtest gemacht?
Rufus Beck: Ja klar, mehrfach. Bei schweren Erkältungen habe ich Hörtests machen lassen. Dann war bei mir das Trommelfell schon mal gerissen. Ich kenne die Problematik.
Martina Stein-Lesniak: Ihre Kinder sind [derzeit] 11, 13 und 21 Jahre alt. Da ist laute Musik sicherlich ein Thema. Wie gehen Sie damit um?
Rufus Beck: Bei uns wird Musik nicht laut gehört. Aber wenn ich beruflich mit Tabaluga unterwegs bin, treten wir in großen Hallen auf. Diese Hallen kann man nicht leise beschallen. In der Nähe der Haupt-PA [Public Address = Mischpult, Verstärker, Lautsprecher] sind die Bässe und hohen Töne sehr laut, damit sie an anderen Plätzen in der Halle ganz normal, moderat gehört werden können. Das ist natürlich ein Problem. Doch davor kann man sich schützen. Manchmal kommen Eltern mit kleinen Kindern. Kleinkinder brauchen da einen Gehörschutz. Das sollte den Eltern klar sein.
Ich selbst trage auf der Bühne In-Ear – Monitoring, damit ich mich besser hören kann.
Martina Stein-Lesniak: Vielen Dank Herr Beck, dass Sie sich für dieses Gespräch Zeit genommen haben!
Autorin: Martina Stein-Lesniak