Hörsystemakustiker setzen Bildungsstandard (To be Insider in 20 Minute n)

Am 18. und 19. April 2004 fand eine Tagung der Europäischen Gruppierung der Hörgeräte-Akustiker, der »Assoçiation Européenne des Audioprothésistes« (AEA) an der Akademie für Hörakustik in Lübeck statt.

Die Akademie ist mit ihrem Ausbildungskonzept und ihrer hochmodernen Ausstattung einzigartig in Europa und verfügt über eine weltweit anerkannte Reputation. In Kooperation mit den Ausbildungsbetrieben und der Bundesoffenen Landesberufsschule für Hörakustiker:innen bildet sie jedes Jahr über 1’400 Lehrlinge als Hörgeräte-Akustiker und über 100 Teilnehmer im Meisterstudium aus. 25 Dozenten und Mitarbeiter sowie 70 Gastdozenten der Akademie sorgen auf dem 16’000 m² großen Campus für einen hohen Ausbildungsstandard. Die Akademie finanziert sich aus Zuschüssen von Land und Bund sowie aus Beiträgen der Hörgeräte-Akustiker – Betriebe und der Hörgeräte-Industrie.

Die Präsidenten und Geschäftsführer der führenden Europäischen Verbände
Benoit RoySynea (Syndicat des Entreprises de l’Audition) (Ex l’UNSAF) (Frankreich);
Xavier RenardLes Laboratoires d’Audiologie;
Juan Martinez SanjoséLe Asociación Nacional de Audioprotesistas (La ANA, Spanien);
Patric VerheydenInstitut libre Marie Haps (Belgien);
Klaus-Peter Janner (Österreich),
Wolfgang Janner,
Thomas Aigner,
Hubert Kirschner,
Philippe Estoppey – Centre Acoustique Riponne (Schweiz);
Franco Gandolfo (Italien),
Corrado Canovi,
Leonardo MagnelliAssociazione Nazionale Audioprotesisti;
Paul Valk – Secretariaat NVAB (Niederlande) und
Marianne Frickel (Deutschland),
Jürgen Matthies,
Jakob Stephan BaschabBundesinnung der Hörakustiker haben über die Harmonisierung der Berufsqualifikationen auf europäischer Ebene beraten. Während in Österreich und Deutschland der handwerkliche Meisterbrief als Zulassungs-Voraussetzung für die selbstständige Anpassung von Hörsystemen gilt, ist in anderen europäischen Ländern ein Hochschul-Abschluss Voraussetzung.

Bei der Konferenz galt es primär, die theoretischen und praktischen Ausbildungs-Inhalte so miteinander abzustimmen, dass zukünftig ein vergleichbares Ausbildungsniveau in Europa erreicht wird.

»Entscheidend für die Qualität der Versorgung der Hörgeschädigten ist die Qualifikation der Fachkräfte, die die Hörsysteme auswählen und anpassen,« erklärte Marianne Frickel, Bundesinnungs-Obermeisterin der Hörgeräte-Akustiker und Vizepräsidentin der AEA. »Der große Befähigungsnachweis muss europafest gemacht werden. Mit der Novellierung der Handwerksordnung hat die Bundesregierung nochmals bestätigt, dass die Meisterpräsenz für die Hörgeräte-Akustiker als gefahrengeneigter Handwerksberuf dringend notwendig ist und auch zukünftig erhalten bleibt. Der hohe Ausbildungs-Standard in Deutschland ist vorbildlich und muss seinen Niederschlag in allen europäischen Ländern finden. Die Vertreter der europäischen Gruppierung der Hörgeräte-Akustiker streben die Harmonisierung von Ausbildung und Qualifikation im Gesundheits-Handwerk Hörgeräte-Akustiker in Europa an und wollen verbindliche gemeinsame Mindeststandards der Ausbildung fixieren.«

Die Tagung der A.E.A. wurde mit einer Vereinbarung über den europäischen Ausbildungsstandard der Hörgeräte-Akustiker erfolgreich abgeschlossen.

»Mit dieser Vereinbarung wird endlich der hohe Standard der in Deutschland praktizierten Meisterausbildung als gleichwertig mit dem Hochschul-Abschluss anderer europäischer Länder anerkannt«, betonte Jakob Stephan Baschab, Geschäftsführer der Bundesinnung der Hörakustiker, die diese Vereinbarung maßgeblich vorangetrieben hat.

Auch das schleswig-holsteinische Bildungsministerium begrüßte die Initiative und das Ergebnis dieses Treffens, von dem eine gute Signalwirkung für das gemeinsame Europa und ein klares Bekenntnis zu zukunftweisenden und qualitativ hochwertigen Ausbildungs-Standards ausgeht.

»Die Branche der Hörgeräte-Akustiker hat eine der höchsten Ausbildungsquoten im deutschen Handwerk«, erklärte Marianne Frickel. Nicht nur der Ausbildungswille der deutschen Hörgeräte-Akustikbetriebe, sondern auch die hohe Ausbildungs-Qualität findet Anerkennung in Europa. Die Festlegung eines einheitlichen Rahmens für die Kompetenz und Qualifikation von Hörgeräte-Akustikern entspricht den Vorgaben des Europäischen Rates, der die Schaffung einer europäischen Berufsbildung von Weltniveau bis 2010 vorsieht. Die Bundesinnung der Hörakustiker hat dafür Standards geschaffen, die von der Berufsakademie in Lübeck in jeder Hinsicht erfüllt werden.

Kulturelles Rahmenprogramm…

Die Tagung wurde mit einem kulturellen Rahmenprogramm eröffnet. Mit einem Traveboot ging es von Lübeck aus nach Travemünde. Natürlich durfte ein Stück echte Lübecker Marzipantorte am Nachmittag nicht fehlen. Nach einer ausführlichen Besichtigung der »Passat« (dem traditionsreichen Viermastbark), deren Heimathafen Travemünde ist, wurde den Gästen in der Kapitänskajüte ein Abendessen in Form eines »Schleswig Holsteiner Menüs« serviert. Wieder in Lübeck angekommen, wartete der Nachtwächter unter dem Museum Holstentor auf die Teilnehmer und führte die Gruppe durch die historische Altstadt von Lübeck. Das Rahmenprogramm war für alle ausländischen Gäste ein eindrucksvolles Erlebnis und wird noch lange als eine positive Erinnerung an die Stadt und das europäische Treffen erhalten bleiben.

…und dann Informations-Austausch

Die Tagung am 19. April 2004 im Hörsaal der Akademie für Hörgeräte-Akustik wurde von Marianne Frickel eröffnet. Sie stellte die einmalige Bedeutung für die Zukunft des Berufsstandes in den Vordergrund. Danach folgten Grußworte durch Adelheit Albert, der Vertreterin des Bildungsministeriums Schleswig-Holstein. Alle Vorträge wurden simultan von zwei Dolmetschern in die französische Sprache übersetzt, was auch die sich anschließenden Diskussionen zu den jeweiligen Vorträgen für alle Beteiligten sehr erleichterte.

Die Vorstellung der Akademie und der Bundesinnung der Hörakustiker wurde durch deren Geschäftsführer Baschab übernommen. Er erläuterte die rechtliche Organisation und Struktur der Bundesinnung, die ihren Sitz in Mainz hat, sowie deren Säulen in Form der Akademie für Hörakustik, der BI Hörgeräte-Akustik Servicegesellschaft mbH und der Deutschen Hörgeräte Instituts GmbH.

Anschließend sprach Baschab über die vielfältigen Tätigkeiten der Bundesinnung und deren Aufgaben für ihre Mitglieder. Hierzu gehören im Wesentlichen die Sicherung und der Ausbau der Stellung des Hörgeräte-Akustiker – Handwerks im deutschen Handwerks- und Gesundheits-Wesen. Nach einigen relevanten Zahlen und aussagefähigen Fakten zur Akademie für Hörgeräte-Akustik übergab Baschab das Wort an Volker Burmeister, Leiter des Lehrgangswesens der Akademie für Hörgeräte-Akustik.
Er erläuterte das deutsche Bildungssystem für Hörgeräte-Akustiker, das sich in 3 Stufen unterteilt. Die 1. endet im Rahmen einer dualen Ausbildung mit der Gesellenprüfung (3 Jahre). Die 2. Stufe ist das Meisterstudium (1 Jahr) und endet mit der Meisterprüfung.
Alternativ bietet sich hier auch ein Fachhochschul-Studium an, welches mit dem Diplom-Ingenieur im Bereich Medizintechnik abgeschlossen wird.
In der 3. Stufe finden sich die Weiterbildungsmaßnahmen sowie Spezialisierungskurse für den Berufsstand.
Im Anschluss an diese Ausführungen ging Volker Burmeister dann auf die Akademie für Hörgeräte-Akustik ein. Hierbei erklärte er die vielgestaltigen Aufgaben, die Struktur und die Zusammenarbeit mit den anderen Institutionen.

Eckhardt Schroeder, Leiter der Landesberufsschule, zielte in seinem Vortrag auf den Vergleich der europäischen Ausbildungsstrukturen und der unterschiedlichen Niveaustufen ab. Zu Beginn sprach Schroeder über die EU-Gipfeltreffen und deren Beschlüsse bezüglich der Schaffung eines europäischen Bildungsraumes, Hierbei geht es nicht um die gegenseitige »akademische Anerkennung« von Abschlüssen, sondern um die Anerkennung von Berufsqualifikationen nach den Anerkennungs-Richtlinien Artikel 11, 14 und 15 der Europäischen Gemeinschaft. Im Rahmen der Mindestanforderungen des Leonardo-Projektes für das Modul Ill zur Ausbildung im Bereich Hörgeräte-Akustik (»Europäisches Diplom«) stellte Schroeder klar, dass die deutschsprachigen Länder und insbesondere Deutschland diese Anforderungen erfüllen. Somit steht der Zusammenarbeit im europäischen Bildungsraum aus deutscher Sicht nichts im Wege.

Gerhard Hillig, Vorsitzender der Vereinigung der Hörgeräte-Industrie (VHI), sprach über die Aufgaben des Forum Besser Hören und der VHI und stellte die jahrzehntelange hervorragende Zusammenarbeit mit der Industrie, dem Berufsstand und der Akademie für Hörgeräte-Akustik in den Vordergrund. Ohne ein Zusammenwirken von Hörgeräte-Herstellern und Hörgeräte-Akustikern wäre die Akademie als zentrale Ausbildungsstätte nicht zu weltweiter Reputation gelangt. Das große Interesse der Industrie an einer hervorragenden Ausbildung des Berufsstandes spiegelt sich auch darin wieder, dass die Industrie durch Beiträge, Spenden und Sponsoring für die Akademie in Lübeck mit dazu beiträgt, diese auf einem technisch aktuellen und innovativen Stand zu halten.

Dr. Christina Beste, Pressesprecherin der Fördergemeinschaft Gutes Hören (FGH), erläuterte den Anwesenden zunächst die Struktur, die Finanzierung und die Ziele bzw. Aufgaben der FGH. Hierbei geht es im Wesentlichen darum, die Partner der Fördergemeinschaft Gutes Hören vor Ort als Berater für gutes Hören zu positionieren und diesen einen Wettbewerbs-Vorteil zu verschaffen. Die Ausführungen zum Leistungsspektrum der FGH wurden anhand der unterschiedlichen Aktionen dargestellt. Beste ging im besonderen auf die HÖRtest-Wochen und die FGH-Hörtour ein. Zielgruppe sind nicht nur die erwachsenen Mitbürger in der Bundesrepublik Deutschland, auch Jugendliche und Schüler sollen durch verschiedenste Aktionen für das Thema Hören sensibilisiert werden.
Die FGH erhofft sich, durch die Verleihung von Auszeichnungen zum Thema gutes Hören weiteres Interesse in der Bevölkerung zu wecken.

Dipl.-Ing. Reimer Rohweder erläuterte in seiner Funktion als Geschäftsführer der Deutschen Hörgeräte Instituts GmbH (DHI) die derzeitigen und zukünftigen Aufgaben des Unternehmens. Das Institut ist ebenfalls auf dem Gelände der Akademie für Hörgeräte-Akustik ansässig und hat die Nachfolge der Physikalisch Technischen Bundesanstalt zur Überprüfung von Hörgeräten angetreten. Der Erweiterung des europäischen Wirtschaftsraumes durch den Beitritt der neuen EU-Länder fällt hier eine beträchtliche Bedeutung zu. Zur Erinnerung: Jedes Hörgerät muss verschiedene technische Überprüfungen durchlaufen, bevor es durch das DHI eingeordnet und freigegeben wird. Und somit von der Herstellerfirma auf den Markt gebracht werden darf.

Zwischen den Vorträgen wurden den Gästen in zwei Gruppen die Räumlichkeiten der Akademie und der Landesberufsschule gezeigt. Dabei stand der persönliche Kontakt und das Gespräch mit den Auszubildenden in den Anpassräumen und im Otoplastiklabor im Vordergrund. Die angehenden Meister konnten ihr Handwerk in der Reparaturtechnik und in der Fertigung von Im-Ohr – Schalen unter Beweis stellen. Für die Teilnehmer ergab sich vor diesem Hintergrund ein umfassendes Bild der Anforderungen des Berufsstandes, aber auch vom Leistungsvermögen der Auszubildenden und angehenden Meister.

Empfangen wurde auch

Der Empfang durch Stadtpräsident Peter Sünnenwold im Roten Saal des Rathauses war der krönende Abschluss dieses für die deutsche Hörgerätebranche und die Lübecker Akademie bedeutsamen Tages. Mit seiner genau auf das gemeinsame Anliegen der europäischen Hörgeräte-Akustiker abgestimmten Rede hat der Stadtpräsident den Gästen aus Belgien, Frankreich, Italien, Spanien, Holland, Österreich und der Schweiz sowie den deutschen Berufsvertretern deutlich gemacht, dass das Bestreben nach Harmonisierung der Ausbildung in einem gemeinsamen europäischen Bildungsraum auch von politischer Seite getragen wird. Die Rede wurde für die ausländischen Gäste simultan übersetzt und mit großem Beifall aufgenommen.

Insbesondere seine Aussage, dass es auch vorrangig darum geht, auf der Basis einer qualitativ hochwertigen Ausbildung den schwerhörigen Menschen in unseren Ländern zu helfen und ihnen das Leben zu erleichtern, wurde aufmerksam und zustimmend aufgenommen.

Autor: Rainer Gerber