Formvollendet eröffnet
Blick auf den Kölner Dom, den Rhein und vorüberfahrende Schiffe – mit dem Hyatt® Regency™ Hotel am Kennedy-Ufer hatte die Fördergemeinschaft Gutes Hören einmal mehr Geschmack in der Wahl stilvoller Lokalitäten bewiesen. Anlass der Veranstaltung am 8. Mai war die offizielle Eröffnung der Hörtestwoche mit der Preisverleihung des Goldenen Akustikus an den Schauspieler und Hörbuch-Sprecher Rufus Beck. Unter den geladenen Gästen fanden sich zahlreiche namhafte Vertreter der Branche.
In medias res
Nach Sektempfang und Smalltalk nahm man in Erwartung einer abwechslungsreichen Veranstaltung in holzgetäfeltem Ambiente, der sogenannten »Bibliothek« des Hauses, Platz. Eine musikalische Introduktion, von dem stimmgewaltigen Ensemble »6-Zylinder: A cappella« schwungvoll dargeboten, stimmte die Gäste auf die kommende Preisverleihung ein. Die sechs Sänger aus Münster sollten zwischen den einzelnen Programmpunkten im Verlauf des Nachmittags noch öfter ein Schmunzeln auf die Gesichter der Zuhörer zaubern.
Stillere Töne schlug FGH-Geschäftsführer Werner Köttgen in seiner Begrüßungsrede an. Mit der Veranstaltung, so führte er aus, werde der Startschuss für eine ereignisreiche Woche gegeben. Die Partner der Fördergemeinschaft würden in dieser Woche bundesweit kostenlose Hörtests anbieten. Unter dem Motto »Wir gehen zu den Menschen« werde damit ein wichtiger Beitrag zur gesundheitlichen Vorsorge geleistet.
So galt sein Dank dem Gesundheitsamt der Stadt Köln für die gute Zusammenarbeit und dem Deutschen Grünen Kreuz (DGK), im besonderen Prof. em. Dr. med. Dr. h.c. mult. Roland Laszig, der der Sektion Hören des DGK vorsteht, für die gute Kooperation bei diesem und anderen Projekten. Nicht zuletzt dankte er dem Preisträger selbst für sein Engagement und seine prominente Unterstützung. Mit der Einladung zu Unterhaltung, Preisverleihung, kulinarischen Genüssen und interessantem Gespräch gab er das Wort an Renate Canisius, Bürgermeisterin der Stadt Köln, weiter.
Diese unterstrich die Bedeutung von Hörtests als wichtige präventive Maßnahme, um einem schleichenden Hörverlust entgegenzuwirken, und bezog sich dabei auf alarmierende Zahlen: Schon jeder 4. Jugendliche ist schwerhörig, bei den über 70-jährigen ist es schon jeder Zweite. Dennoch tragen nur 2.5 Millionen Menschen ein Hörsystem. Zwar bekennen sich derzeit immer mehr Prominente zur Schwerhörigkeit – das aber habe in der Öffentlichkeit dennoch noch nicht zu einem souveräneren Umgang mit dem Hörgerät geführt. Lärm-Schwerhörigkeit, erläuterte sie weiter, sei heute die häufigste Berufskrankheit. Entsprechend erfreut äußerte sie sich zur Arbeit der FGH im Allgemeinen und dieser Aufklärungs-Kampagne im Besonderen.
Nachfolgend erinnerte Inge Steinl in ihrer Laudatio an den ersten Preisträger des Goldenen Akustikus, Peter Maffay, der die Auszeichnung 2001 erhalten hatte. Mit Blick auf die derzeit schwächelnde Wirtschaftslage stellte sie die rhetorische Frage: »Deutschland, Wirtschaftswunderland, wohin gehst du?«. Angesichts schlechter Zeiten sei man umso dankbarer für Künstler, die sich uneigennützig für die Gemeinschaft einsetzen. Sie war offensichtlich begeistert von der Lesung, die Rufus Beck am Abend zuvor gehalten hatte. »Herr Beck, wie sie uns gestern die russische Seele nahegebracht haben – das war sensationell.«
Dann bat sie FGH-Geschäftsführer Rainer Schmidt zur gemeinsamen Verleihung des Goldenen Akustikus ans Rednerpult. Schmidt würdigte Beck als Schauspieler und Geschichten-Erzähler, der in Hörbüchern und seinen Lesungen Hören zu einem besonderen Erlebnis mache. So sei es ihm gelungen, Kinder wie Erwachsene für das Hören und Zuhören zu begeistern. Die Fördergemeinschaft danke Rufus Beck für dieses besondere Hörerlebnis mit dem Goldenen Akustikus, der mit 10’000 € dotiert ist.
Der solchermaßen Gewürdigte nahm die Skulptur und den Scheck mit ersichtlicher Freude entgegen. Er bedankte sich herzlich und beurteilte die Aktion der FGH als sehr gut und unterstützenswert.
Er habe ebenfalls schon die Angst gehabt, seine Kinder könnten schwerhörig sein, da das ja oft erst sehr spät erkannt werde. Inzwischen weiß er, was für eine Bedeutung das Hören für das Kind habe.
Wenn er mit dem Musical »Tabaluga« zusammen mit Peter Maffay auf Tour ist, muss er immer wieder feststellen, dass bei der leider notwendigen lauten Technik immer noch Kinder ohne Gehörschutz in der Vorstellung sitzen und sich einige die Ohren zuhalten. Offenbar fehle es seitens vieler Eltern am Bewusstsein, die Ohren ihrer Kinder zu schützen. Es sei offensichtlich noch sehr viel zu tun, um die Sensibilität für das Thema zu schaffen. Und er freute sich, die Aktion der FGH unterstützen zu dürfen.
Wie es um die Ohren des Preisträgers und der Kölner Bürgermeisterin bestellt war, wurde im Anschluss an die Preisverleihung von Tom Füsser und Christa Köttgen im Rahmen eines Hörtestes ermittelt. Aufgrund der Hintergrund-Lautstärke konnten die Werte jedoch so genau nicht ermittelt werden. Man riet beiden, bei Gelegenheit noch einmal beim Akustiker in ruhiger Umgebung nachmessen zu lassen.
Gespräche am runden Tisch
Nach einer weiteren Sanges-künstlerischen Einlage der »6-Zylinder« wurde am runden Tisch von der 2DF-Fernseh-Ärztin Dr. Sabine Helmbold unter der Überschrift »Die Bedeutung des Hörens in Kultur, Wissenschaft und Medien« eine kleine Diskussionsrunde eröffnet.
Rede und Antwort standen Rufus Beck, Ralf Müller, der die Ausstellung »Klangwelten« mit initiiert hatte, Kathrin Imke, Journalistin und Preisträgerin des Publizistikpreises 2002, Sabine Gilson, Initiatorin der Selbsthilfegruppe »Fohrum – gut hören in der Schule« und Dipl.-Ing. Horst Warncke von Oticon.
Aus dem Auditorium zum Mitdiskutieren eingeladen wurden außerdem Gerhard Hillig als Kenner der Branche, Wolfgang Kleck, Vizepräsident des deutschen Schwerhörigenbundes, Evelyne Fuchsberger-Meyer vom Gesundheitsamt Köln, sowie Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Roland Laszig von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Hier einige Statements in Kürze:
Welche Bedeutung der »richtige Ton« im Medium Fernsehen hat, machte Frau Dr. Hembold deutlich, indem sie darauf verwies, dass ein guter Ton Bilder retten vermag, die nicht so gelungen seien. Wohingegen der schönste Bildbeitrag durch einen schlechten Ton an Attraktivität verliere.
Das Herz der Journalistin Kathrin Imke schlägt offenbar mehr für den Rundfunk als für das Fernsehen. Die Vorteile des Mediums liegen für sie auf der Hand: Bei Interviews beispielsweise entstehe eine viel dichtere Atmosphäre, das Gespräch habe eine andere Intimität, da sich der jeweilige Gesprächspartner nicht durch die Anwesenheit einer Kamera irritieren lasse und das Mikrofon zuweilen vergessen werde. Nach ihrer Erfahrung verhalten sich Menschen im Medium Radio einfach natürlicher. So komme man dem anderen näher, für die Zuhörer bleibe genug Raum für ein eigenes Stück Phantasie. Außerdem verzeichnete die Journalistin einen gewissen Wandel im Hörerverhalten. Denn beim Deutschlandfunk haben die Wortbeiträge zugenommen, auch kommen immer mehr Hörbücher auf den Markt. Menschen, die beruflich viel unterwegs sind, wollen sich informieren und zugleich entspannen. Deshalb komme es auf die richtige Mischung von Musik und Wortbeiträgen an.
Dr. Helmbold griff diese Anmerkungen mit der Frage auf: »Erlebt das Hören, wenn schon nicht die Wirtschaft, einen konjunkturellen Aufschwung? Rufus Beck erklärte sich die zunehmende Zahl der Hörbücher mit einer Zunahme der Kinderbücher, die auch für Erwachsene geeignet sind. Wenn der WDR beispielsweise ein Hörspiel aufnimmt, ist das auch immer mit gewissen Kosten verbunden. So ist es naheliegend und wirtschaftlich zu erklären, dass diese Hörspiel-Aufnahmen dann durch den Verkauf des Hörspiels zweitverwertet werden.
Die Zeitspanne, die die Produktion eines Hörbuches in Anspruch nehme, sei pauschal nicht zu benennen. Als Beispiel nannte Beck die Hörbuch-Aufnahme zu »Garp – und wie er die Welt sah«. Er habe für das Vorlesen des 670 Seiten umfassenden Buches 6 Tage gebraucht. Dabei habe er ganz eigene Erfahrungen während des Aufnehmens gemacht: Die Zeit im Studio empfindet er stets als Genuss – er hört seine eigene Stimme über die Aufnahme, er agiert und reagiert somit zugleich auf seine Stimme und erlebt sich nach Stunden in einer Art meditativer Trance.
Ralf Müller, Mitinitiator der Ausstellung »Klangräume«, ergänzte, dass bei Kindern mit dem Hören sofort Welten entstehen, ihre Phantasie wird durch die Töne unmittelbar angeregt. Dr. Sabine Helmbold erinnerte sich daran, wie ein Kind beim Besuch der Ausstellung gesagt habe »So klingen die Sterne.« Eine therapeutische Wirkung beim Erleben und Erfühlen von Klängen auf einer Klangwippe konnte Müller ebenfalls beobachten; es sei, als würden bestimmte Töne unmittelbar zur Entspannung und Entkrampfung beitragen. Erwachsene hingegen tun sich mit der Ausstellung weit schwerer, nicht selten auch wegen der Geräuschkulisse, die die Kinder selbst mit sich brächten. Wenn Erwachsene mit Kindern kommen, sind sie etwas lockerer, letztlich müssen sie lernen, ihre anerzogene Scham zu überwinden und mit der selben Offenheit und Unbedarftheit an die Ausstellung heranzugehen, wie es ihnen die Kinder vormachten. Dann wird auch der Besuch für den Erwachsenen zum Erlebnis, weil man ein Stück kindlicher Phantasie in sich wiederfindet.
Durch ihre zwei von Geburt an schwerhörigen Kinder hat sich das Bewusstsein von Sabine Gilson zum Thema Hören verändert. Ihr 9-jähriger Sohn ist mittel- bis hochgradig schwerhörig, der 13-jährige Sohn ist mittelgradig schwerhörig. Während man es beim jüngeren Sohn schnell bemerkte, zogen beim älteren Sohn immerhin fünf Jahre ins Land, bis er als schwerhörig diagnostiziert wurde.
In Deutschland wird eine hochgradige Schwerhörigkeit mit zwei Jahren entdeckt, eine mittlere Schwerhörigkeit mit sechs Jahren, ergänzte Prof. Laszig. Er führte Kroatien als lobenswertes Beispiel an, da dort nicht nur die Früherkennung, sondern auch die Hörgeräte-Versorgung um ein Vielfaches besser und flächendeckender stattfinde als hierzulande. Deutschland ist unter diesem Aspekt ein »echtes Entwicklungsland« und das, obwohl eine Schwerhörigkeit des Säuglings schon im Wochenbett festgestellt werden könnte.
Inwiefern Schwerhörigkeit soziales Verhalten prägt, wurde an den Ausführungen Gilson’s deutlich. Ihre beiden Kinder hatten sich vor der Versorgung mit einem Hörsystem zurückgezogen. Dieses Rückzugs-Verhalten habe sich trotz Hörgeräte-Versorgung nicht ganz gelegt. Oft habe sie nicht gewusst, wie sie damit umgehen solle, sie hätte das Verhalten aber toleriert. Wie Prof. Laszig anmerkte, handle es sich dabei um ein sehr typisches Verhalten und es wäre völlig in Ordnung, den Kindern Möglichkeiten zum Rückzug zu lassen. Dies haben normalhörende Erwachsene häufig leider verlernt.
Sabine Gilson verfolgt mit ihrer Selbsthilfegruppe das Ziel, die Integration der Schwerhörigen in die Regelschule zu fördern. Die zentrale Botschaft der Initiative fasste sie in die Formel »Gut Hören in der Schule, und sich Gehör verschaffen«. Es gehe darum, das Problembewusstsein zu wecken und zu lernen, mit der Behinderung umzugehen, zu ihr zu stehen und trotzdem dazuzugehören.
Die Frage, wie es generell um die Freizeitangebote für Schwerhörige bestellt sei, beantwortete Wolfgang Kleck, Vizepräsident des Deutschen Schwerhörigenbundes. Die speziellen Angebote erfreuten sich eines konstanten Zuspruchs, die Zahl der Nutzer habe sich jedoch nicht wesentlich vergrößert. Den Grund dafür sieht er darin, dass viele Probleme damit haben, sich zu ihrer Hörbeeinträchtigung zu bekennen. Seine Meinung zum Thema Regelschule steht allerdings im krassen Kontrast zu der Gilson’s. »Warum tut man Kindern die Regelschule an?« Die Schwerhörigenschulen heute wären wirklich sehr gute Schulen, die eine gute Ausbildung bieten. Kathrin Imke merkte an, dass in der Tat viel Zeit in den Schulen bei der Übersetzung der Lerninhalte verloren gehe.
Die technischen Möglichkeiten moderner Hörsysteme erläuterte schließlich Dipl.-Ing. Horst Warncke. Das Ziel in der Hörgeräte-Entwicklung, betonte er, ist die Rückkopplungs-Beseitigung. Bei vielen Schwerhörigkeiten ist bereits eine offene Versorgung kein Problem mehr. Auch würde mit den neuen Funklösungen das Hören in der Schule erleichtert. Was generell oft noch fehle, sei allerdings die Bereitschaft, das Zuhören zu erleichtern. »Es gibt zahlreiche Schulklassen, in denen man nahezu nichts versteht.« Den Einwand Imke’s, das sei eine Geldfrage, wollte er so nicht stehen lassen. Man müsse das nur von Anfang an vernünftig lösen. Als klares Manko bezeichnete er außerdem den nach wie vor vorhandenen Unwillen der Krankenkassen, Kindern die besten Hörgeräte zu bezahlen. Denn es gibt heute technisch wirklich ausgereifte Hörsysteme, die sich beispielsweise während eines Diktates nur einschalten, wenn gesprochen wird.
Die Messbarkeit des Erfolges von Hörgeräten lässt sich an ein paar Zahlen verdeutlichen: Bei Kindern, die taub sind und mit einem CI versorgt werden konnten, besuchen immerhin mehr als 50 % die Regelschule oder einen ganz normalen Kindergarten.
Allen technischen Finessen zum Trotz wies Rufus Beck auf den fehlen. den Sexappeal von Hörgeräten hin. „Wieso sind Hörgeräte nicht sexy?”, wollte er wissen. Denn aufgrund dieses Mankos würden sich vor allem Männer schwer tun, sich zu einer Hörhilfe zu bekennen. Dr. Helmbold gab die Bemerkung an Gerhard Hillig weiter und fragte diesen, was denn die Industrie dafür tue, Hörgeräte »Sexy« zu machen. Hillig schilderte diesbezügliche Versuche bei einem seiner früheren Arbeitgeber. Dort hätte man ein Hörgerät in ein Schmuckstück integriert und sich gedacht, das sei die Gelegenheit, das Gerät mit einem modisch-wirksamen Namen zu besetzen. Man hatte Cartier® ins Auge gefasst und fuhr voller Tatendrang nach Paris, um diesbezüglich vorstellig zu werden. Immerhin wurden seinerzeit bereits die ersten Cartier-Brillen auf den Markt gebracht. Ein Hörgerät mit dem Namen Cartier zu versehen, lag indes anscheinend nicht auf der Linie der Unternehmens-Philosophie. Das Argument dagegen lautete »Wir machen nur Sachen für perfekte Menschen.« Sein nüchternes Fazit: Solange eine Schwerhörigkeit immer noch anders gesehen wird als eine Sehschwäche, werden Hörgeräte nicht als sexy empfunden. Doch die modernen Hörgeräte haben sich im Design schon sehr gemacht, heute halten die HdO-Modelle 75 % am Markt und die IO-Modelle 25 %. Je kleiner das Hörgerät, desto größer sei die Akzeptanz.
Autorin: Claudia Pukat