Helmut Schaaf,
»Morbus Menière – Ein psychosomatisch orientierter Leitfaden«,
4. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2004,
30 Abbildungen, 3 Tabellen, XIX, 222 Seiten,
broschiert,
ISBN 3-540-40709-X,
Springer-Wissenschaftsverlag, Berlin · Heidelberg · New York,
29,95 € / 51 sFr.
Auch erhältlich im Buchvertrieb des Median-Verlages.
Das Buch ist gut und ohne Parallelen, geschrieben von einem Arzt (Nicht – HNO-Arzt), der als selbst Schwerbetroffener den Morbus Menière hat kennen lernen müssen. Er schildert eindrucksvoll sein eigenes Erleben und seine eigenen Reaktionen. Er hat das Buch weiterhin durchgehend allgemein verständlich gehalten, soll es doch besonders auch von betroffenen Nichtmedizinern verstanden werden können, es wird so expressis verbis den streng wissenschaftlichen jüngeren Arbeiten aus der HNO-Heilkunde gegenüber gestellt, die andererseits konsequent zitiert werden. Die 4. Auflage belegt erneut den Bedarf.
Die anatomischen, physiologischen und pathophysiologischen Grundlagen sind überarbeitet, teilweise erweitert und besser illustriert. Auch Neuerungen der Diagnostik, wie die Phasenaudiometrie zur Identifizierung des endolymphatischen Hydrops sowie moderne bildgebende Verfahren, sind eingefügt worden. Die weiterhin knapp gehaltene Differenzialdiagnose wurde erweitert um beispielhafte Krankengeschichten; dabei fällt hier die starke Betonung psychischer Komponenten auf.
Einige Fehler verlangen nach einer nochmaligen Überarbeitung: Beim Hennebert-Syndrom z.B. finden sich Textfehler sowie falsch zitiert Hüttenberg statt Hüttenbrink. Im Abschnitt zervikale Hör- und Gleichgewichts-Störungen fällt eine Verwechslung der obersten Halswirbel, Atlas und Axis, dem kritischen Leser befremdlich auf. Bei der großzügigen Beschreibung der manual-medizinischen Kopfgelenks-Manipulation hätte man sich ferner einen warnenden Hinweis darauf gewünscht, dass dieser Eingriff dem voll weitergebildeten und streng lege artis vorgehenden Manualmediziner vorbehalten bleiben muss wegen der Gefahr erheblicher Komplikationen durch Behandlungsfehler. Auch die Verwechslung von Manual-Therapeut (= Physiotherapeut) und Manual-Mediziner (= Arzt) sollte beseitigt werden.
Der Therapie des Morbus Menière ist unverändert viel Raum gewidmet: Alle gängigen medikamentösen, nicht-invasiven und invasiven Therapieansätze werden dargestellt und kritisch beleuchtet; nicht allen Bewertungen vermag der Referent nach bester Eigenerfahrung mit der Sakkotomie hierbei zu folgen; der Autor bevorzugt sehr deutlich die partielle Labyrinthausschaltung durch Gentamycin. Das Hauptgewicht aber wird gelegt auf die Darstellung möglicher Psychotherapie und psychosomatischer Therapie mit etwas weicher Abgrenzung auch gegen Außenseitermethoden, Homöopathie, Biomentaltherapie usw. Bei der dargestellten Unterscheidung zwischen reaktiven psychischen Folgen schwerer und anhaltender Schwindelanfälle mit tief gehender Verunsicherung, Umgestaltung der Lebensführung und der Zukunftsplanung kann man den Gesichtspunkten des Verfassers durchaus folgen. Eine Erwähnung der Tatsache fehlt hingegen, dass für psychostabile Patienten auch bei schwerem Morbus Menière nach erfolgreicher Therapie und Wiedergewinnung des körperlichen Gleichgewichts »die Angelegenheit erledigt« ist.
Ein Kapitel befasst sich mit der Bewältigung der neurologisch-somatischen Restfolgen durch Übungstherapie, des Hörverlustes durch Anpassung von Hörgeräten sowie der CROS-Versorgung. Die zentrale Frage, ob der Morbus Menière nicht nur als Ursache sondern auch als direkte Folge einer psychogenen Fehlhaltung auftreten kann, bleibt auch in dieser 4. Auflage unentschieden: Die Stellungnahme des Autors geht hier eigentlich nicht über Spekulationen hinaus, die mit gehöriger Skepsis gesehen werden müssen.
Den Schluss bilden sehr brauchbare praktische Hinweise zur Anerkennung der Behinderung, Eingliederung in die Umwelt usw., ein Katalog häufiger Fragen und Antworten zu diesem letztlich unverändert ätiologisch ungeklärten Krankheitsbild, eine Auflistung von Selbsthilfegruppen und ein Glossar. Das Sachverzeichnis ist erweitert worden, ebenso das Literaturverzeichnis. Die Ausstattung der Broschüre ist deutlich angehoben worden: bessere Papierqualität, moderne übersichtlichere Darstellung in Tabellen und Schemata sowie insgesamt eine straffere und übersichtliche Gliederung und Nummerierung der Kapitel kommen der Lesbarkeit zugute. Der Preis erscheint durchaus angemessen.
Autor: Prof. Dr. med. Klaus Seifert
Unser Versprechen: wieder stärker verbunden als normalhörend!