Von der 39. Fortbildungs-Veranstaltung der ORL-Ärzte (To be Insider in 15 Minute n)

Mannheim – Fortbildung und Austausch par excellence

Die mittlerweile 39. Fortbildungs-Veranstaltung des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. fand auch 2004 in der letzten Oktoberwoche und in bewährter Tradition im sehr schönen Mannheimer Congress Center Rosengarten statt. Technisch und logistisch auf höchstem Niveau präsentierten sich den annähernd 1’500 teilnehmenden Hals-Nasen-Ohren – Ärzten an insgesamt drei Tagen eine breite Palette praxisrelevanter Themen, zahlreiche Intensivkurse zu Diagnostik und Therapie und darüber hinaus ein breites Angebot in der Industrieausstellung. Auch für die Pflege der sozialen Kontakte bestand ausreichend Zeit.

Dies wurde insbesondere dadurch erleichtert, dass die großzügigen Räumlichkeiten des Mannheimer Congress Centers viele Möglichkeiten zur Diskussion, aber auch zu intimeren Gesprächen und für differenzierte fachliche Abstimmungen bietet.

Prof. Dr. Jochen Werner aus Marburg, der Fortbildungs-Kanzler, hatte wieder ein hervorragendes Fortbildungs-Programm zusammengestellt, vom Sekretariat des Berufsverbandes unter Leitung von Frau Kerstin Schulz zudem ausgesprochen gut organisiert.

Referent:innen und Kursleiter:innen rekrutierten sich aus praktisch allen namhaften Kliniken der bundesdeutschen HNO-Szene. Besonders die Mischung aus Vorträgen des Hauptprogramms, halb-, ganz- oder mehr-tägigen Kursen und von der Industrie angebotenen Lunchsymposien repräsentierte die große Vielseitigkeit, bei der praktisch jeder Teilnehmer auf seine Kosten kommen konnte.

Gerade in der Praxis des HNO-Kassenarztes nehmen Störungen der Hörfähigkeit, operative und rehabilitative Therapie von Schwerhörigkeit und Tinnitus einen immer größeren Raum ein. So verwundert es nicht, dass gerade für die »O-Fraktion« der HNO-Ärzte eine breite Palette an Fort- und Weiterbildung angeboten wurde:

Unter Leitung von Prof. Dr. Karl-Friedrich Hamann und Dipl.-Ing. Horst Warncke wurde in einem zweitägigen Kurs intensiv über Hörgeräte-Anpassung und Qualitätsmanagement der Hörgeräte-Versorgung bei Erwachsenen und Kindern informiert. Interessant, dass dieser Kurs sowohl für HNO-Ärzte als auch für Hörgeräte-Akustiker gestaltet wurde. Hier wird, wie es auch dem Geist der Veranstaltung entspricht, die Zusammenarbeit zwischen beiden Berufsgruppen sehr gut gefördert und der Dialog eingeleitet bzw. fortgesetzt.

Neben einem Kurs zur arbeitsmedizinischen Gehörvorsorge (Prof. Arneborg Ernst und Dr. Bodo Pfeiffer), schon fast ein Klassiker der HNO-Fortbildung, wurden auch Besonderheiten der Hördiagnostik und hier speziell Schwierigkeiten bei der Ableitung otoakustischer Emissionen von Prof. Hamann geschult.

PD Dr. Gerhard Hesse und Dr. Helmut Schaaf vermittelten, auch bereits in langjähriger Tradition, bewährte Aspekte der ambulanten Tinnitus-Therapie. Ausführlich wurden hier die Retraining- und kognitiven Therapie(n) als Standard bei chronischem Tinnitus diskutiert und gegen zahlreiche, in der Regel unwirksame medikamentöse oder paramedizinische Behandlungsansätze abgegrenzt.

Auch ein spezieller Kurs für Arzthelfer:innen wurde wieder angeboten, bei dem, geleitet von Annette Slaby aus Datteln, die Hörprüfungen bei Kindern im Mittelpunkt standen.

Die Hauptvorträge zu Fragen von Hörstörungen sowie deren Diagnostik und Therapie wurden von Prof. Olaf Michel aus Köln eingeleitet mit einem Grundsatzreferat zur Hörsturz-Therapie nach der neuen Leitlinie. Hier stellte Prof. Michel die neue Leitlinie vor, in der weiterhin der Hörsturz als therapeutischer Eilfall angesehen und definiert wird. In der entsprechenden Veröffentlichung der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie e.V. wird die unterschiedliche Behandlung der Hörsturz-Formen vom Tiefton- bis zum Hochton-Verlust entwickelt. Neben der bewährten, wenn auch nach wie vor nicht hundertprozentig wissenschaftlich belegten rheologischen Therapie (Hämodilution, Volumenvergrößerung, Verbesserung des Blutflusses und Senkung der Plasmaviskosität) werden auch andere Therapieformen wie Radikalenfänger und Anti-Oxydantien dargestellt.

Prof. Michel ging dann auf die Empfehlung zur Initialtherapie ein, die in der Regel ambulant erfolgen sollte und wo die Gabe von Gluko-Kortikoiden eine große Rolle spielt. Weiter wurde ausgeführt, dass für die stationäre Einweisung bei akuten Hörsturz-Geschehen in der Leitlinie klare Kriterien bestehen, indem nämlich während des stationären Aufenthaltes eine Therapie erfolgen sollte, die ambulant so nicht durchgeführt werden könnte wie die Behandlung psychosomatischer Komorbidität oder die aufgrund ihrer potentiellen Nebenwirkungen, wie z.B. bei Procain-Infusionen, einer umfassenden ärztlichen Überwachung bedarf. Der Referent führte aus, dass die neue Leitlinie eine wertvolle Argumentationshilfe, nicht zuletzt durch ihre große Literaturliste, darstelle.

Prof. Dr. Thomas Lenarz, Ordinarius der HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover, referierte ausführlich über moderne Hörhilfen in der prothetischen Behandlung der Schwerhörigkeit und ging überaus kompetent auf die technischen Möglichkeiten, aber auch Grenzen moderner, insbesondere digitaler Hörgeräte ein.

In seinem Referat über die Hörgeräte-Überprüfung ging Dipl.-Ing. Horst Warncke aus Hamburg auf genormte Messungen, sowohl in der Messbox als auch in situ und im Freifeld ein. Hier wurden insbesondere die Probleme mit der Anpassung von digitalen Hörgeräten besprochen und ergänzend wurde der COSI-Fragebogen vorgestellt, der als offener Fragebogen realistische Ziele für die Hörgeräte-Anpassung definiert und bewertet.

Ein besonderer Vortrag widmete sich der Begutachtung, insbesondere der von Lärmschwerhörigkeiten. Prof. Tilman Brusis aus Köln referierte hier mit seiner langjährigen Erfahrung als Gutachter insbesondere über die Königsteiner Empfehlung, die auf dem Stand von 1996 ist und derzeit neu überarbeitet werden muss. Hier wird insbesondere die Verwendung der überschwelligen Testmethoden (SISI, Lüscher) geändert werden, aber auch Folgen für eine eventuell notwendige Hörgeräte-Anpassung bei Lärmschwerhörigen sollten in dieses Merkblatt Eingang finden.

Berichtet wurde auch über ein neues Bewilligungsverfahren der gewerblichen Berufsgenossenschaften zur Verkürzung der Bearbeitungszeiten, wodurch die meisten Lärmschwerhörigkeits-Fälle ohne Begutachtung abgeschlossen werden können. Hier wird generell bei einer unter 85 dB(A) beschriebenen Lärmexposition ein ablehnender Bescheid erteilt, nur wenn eine MdE von mehr als 15 % zu erwarten ist oder wenn Ohrgeräusche hinzukommen, werden weitere Ermittlungen eingeleitet. Diese beinhalten dann eine HNO-ärztliche Begutachtung.

Berichtet wurde auch in diesem Referat über die neue Vergütung und Entschädigung bei Gutachten und die dafür vorgesehenen Stundensätze sowie die Notwendigkeit, dass Gutachten in der Regel umsatzsteuerpflichtig sind.

Prof. Dr. Heinrich Iro aus Erlangen referierte über das spezielle Krankheitsbild der Otosklerose als Erkrankung des Mittelohres, deren Ätiologie nach wie vor noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Ausgehend von seinem umfangreichen operativen Erfahrungsschatz lag ein großer Schwerpunkt auf der Darstellung der operativen Therapieverfahren, die immer noch die Therapie der Wahl bei der Otosklerose darstellen. Hier wurde besonders auf neue Verfahren unter Verwendung des Lasers eingegangen. Durch Verbesserung der Operationstechniken liegt das Risiko einer Ertaubung bei dieser Operation mittlerweile bei weniger als 1 %.

Einen interessanten Überblick über implantierbare Hörhilfen gab Prof. Wolf Dieter Baumgartner aus Wien, ausgehend natürlich von den Cochlea-Implantaten, bei denen wir mittlerweile auf eine mehr als 20-jährige Geschichte in der HNO-Chirurgie zurückblicken können. Weltweit sind bereits mehr als 65’000 Personen mit einem CI versorgt, die Hälfte davon sind Kinder. Die verbesserte Technik der Cochlea-Implantate besteht insbesondere in einer hohen Stimulationsrate. Wesentliche Neuerung ist aber auch die Verwendung kleinster Elektroden und möglichst atraumatischer Operationstechniken unter maximaler Schonung der Innenohr-Strukturen. In einem weiteren Teil des Referats sprach Prof. Baumgartner dann über die implantierbaren Hörgeräte. Von diesen ist allerdings allein das teilimplantierbare Vibrant Soundbridge der Fa. Med-El übrig geblieben, während vollimplantierbare Systeme (Tica) hauptsächlich aufgrund technischer Probleme mit Rückkoppelungs-Phänomenen wieder vom Markt genommen wurden.

Indikationen für derartige implantierbare Hörgeräte sind hauptsächlich Exostosen des Gehörganges, eine chronische Otitis externa und Pilzerkrankungen sowie andere dermatologische Erkrankungen, die das Tragen von Ohrpassstücken verunmöglichen.

Weiter wurde in diesem Vortrag berichtet über die mittlerweile sehr gute Technologie der so genannten knochenverankerten implantierbaren Hörgeräte (Baha), die besonders für Kinder mit Fehlbildungen oder speziellen Syndromen sowie für ältere Patienten mit mehrfach operierten Ohren eine große Rehabilitationshilfe sind. Schließlich wurde noch eingegangen auf die implantierbare Hörhilfe Retro X für eine eng begrenzte Zielgruppe mit eindeutig primär kosmetischer Indikation.

Frau Dr. Antje Aschendorff und Prof. Dr. Roland Laszig aus Freiburg gingen auf Indikation und Kontraindikation zur Cochlear Implant – Versorgung ein. Es wurden eingangs auch die Implantationen bei Resthörigkeit besprochen und als sinnvoll angesehen, da hier ausgezeichnete Hörerfolge zu verzeichnen sind. Sie berichteten auch über neueste Studien bei bimodaler Versorgung, d.h. Cochlear Implant mit gleichzeitiger und gleichseitiger Hörgeräteversorgung. Möglich ist dies nur bei schonender Operation mit weitgehendem Erhalt des Restgehörs. Interessant ist, dass das Operationsalter immer weniger zum Problem wird, die jüngste Patientin in Freiburg war fünf Monate, der älteste 84 Jahre alt. Ebenfalls berichtet wurde, dass Fehlbildungen des Innenohres für die Cochlea-Implantation zunehmend weniger eine Kontraindikation darstellen. Auch bei Radikalhöhle und chronischer Otitis media sind chirurgische Lösungen möglich. In diesem Referat wurde die Cochlear Implant-Operation als Regelversorgung bei Taubheit und hochgradiger Schwerhörigkeit mit nur wenigen Kontraindikationen unterstrichen.

Zwei Referate beschäftigten sich schließlich mit der spezifischen Hördiagnostik, insbesondere der Ableitung von Distorsionsprodukten otoakustischer Emissionen. Prof. Thomas Janssen aus München berichtete über Hörschwellen-Bestimmungen durch DPOAB-Wachstumsfunktionen, die besonders interessant für das erweiterte Hörscreening bei Neugeborenen und für eine schnelle Abklärung der Innenohr-Funktion im Vorschul- und Schulalter sind. Auch zur Verlaufskontrolle bei Hörsturz und bei Verabreichung ototoxischer Medikamente sowie bei Monitoring lärminduzierter Schwerhörigkeit und der Abklärung der Hörfunktion bei Verdacht auf Simulation und Aggravation kommt dieser DPOAE-Wachstums – Funktionsbestimmung ein großer Stellenwert zu.

Frau Prof. Dr. Karin Schorn, ebenfalls aus München, referierte dann über Fehler bei der OAE-Ableitung. Unter dem Postulat, dass die Ableitung otoakustischer Emissionen heutzutage einen zuverlässigen objektiven Test zur Bestimmung der Innenohrfunktion darstellt, müssen jedoch Fehldiagnosen in Erwägung gezogen werden. Diese liegen insbesondere in einem schlechten Sondensitz, in einer falsch gewählten Sonde ohne Berücksichtigung der Altersgruppe, an verschmutzten akustischen Filtern, an apparativen Mängeln sowie einer schlechten Wartung der Apparate.

Ebenfalls kann der Untersuchungs-Zeitpunkt, insbesondere beim Neugeborenen-Screening, falsch gewählt sein oder gar eine auditorische Neuropathie übersehen werden. Trotz dieser Fehler jedoch, so Prof. Schorn, ist die Ableitung der otoakustischen Emissionen eines der wichtigsten objektiven Testverfahren, jedenfalls wenn die möglichen Fehler bekannt sind und technisch ausreichende Geräte verwendet werden.

Neben der Mitgliederversammlung des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte war ein Highlight des gesamten Fortbildungskongresses die »kulinarische Weiterbildung« im bekannten Hotel »Deidesheimer Hof« in Deidesheim, in das besonders Alt-Bundeskanzler Kohl seine Staatsgäste gerne einzuladen pflegte. Somit ein würdiger Ort, die angenehme und überaus informative Mannheimer Fortbildungs-Veranstaltung mit persönlichen Gesprächen, einem guten Glas Wein und hervorragendem Essen abzurunden.

Autor: Priv.-Doz. Dr. med. Gerhard Hesse

 

 

 

 

Autor: Thomas Keck

Thomas Keck ist durch seinen Beruf als Hörsystemakustiker bestens mit der Präzision und Sorgfalt vertraut, die sowohl für die technische Arbeit als auch für den direkten Kundenkontakt erforderlich sind. Sein Werdegang zeugt von einer kontinuierlichen Entwicklung und einem hohen Maß an Fachwissen, unterstrichen durch den Meisterbrief und die Selbstständigkeit. Er verfolgt seine Interessen mit Leidenschaft und widmet sich einer Vielzahl von Aktivitäten, von Musik über die Beschäftigung mit Oldtimern bis hin zur Werteschätzung der Bibel. Thomas bewundert Menschen, die in ihrem Feld Spitzenleistungen erbringen, wie diverse Musiker und Schauspieler. Dies deutet auf eine hohe Wertschätzung für Expertise und handwerkliches Können hin.

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