Die Ausstellung »OHRnamente« in Heidelberg
Aus Sammlungen der Teilnehmer am
«Forum Kleidung und Schmuck der Völker»OHRnamente
Kopfschmuck von Nordafrika bis Asien
13. März – 15. Mai 2005
Völkerkundemuseum
der J. & E. von Portheim-Stiftung
Hauptstraße 235 (Palais Weimar)
D-69117 HeidelbergÖffnungszeiten: Mi – Sa 14 – 18 Uhr / So 11 – 18 Uhr / Mo u. Di geschl.
Sondertermine: Führungen und Gruppen nach Voranmeldung
Tel.: 06221 / 22067 · Fax: 914370
»OHRnamente – Kopfschmuck von Nordafrika bis Asien« ist der Titel einer Ausstellung, die seit 13. März und bis zum 29. Mai 2005 (verlängert!) im Völkerkundemuseum in Heidelberg zu sehen ist. Die erstaunliche Vielfalt von Kopfschmuck in diesen Ländern hatte zur Thematisierung der Ausstellung geführt. Den besonderen Schwerpunkt bilden Ohrringe – schließlich wurden sie in vielen Kulturen bereits seit der Frühantike getragen und an ihrer Beliebtheit hat sich bis heute nichts geändert.
Die Ausstellung präsentiert ein breites Spektrum vom kleinen filigranen Bigelohrring bis hin zu großen, schweren Schmuckkreationen.
Der Ohrschmuck, der in unserer westlichen Welt heute zu festlichen Anlässen getragen wird, nimmt sich angesichts der kunstvollen Gebilde des hier gezeigten Schmucks geradezu bescheiden aus. Denn in der Ausstellung finden sich unter anderem Ohrschmuckvarianten in derartigen Größen, dass es unvorstellbar erscheint, dass deren Gewicht vom Ohr getragen (und ausgehalten) wird. Und tatsächlich ist das auch nicht immer der Fall: Das edle Geschmeide wurde häufig an einem Band befestigt, das die Frau dann um den Kopf trug. Viele wurden außerdem konzipiert, um sie nicht am Ohr direkt zu tragen, sondern um sie an Kopfbedeckungen wie Hauben oder Mützen zu befestigen.
Wie so oft beim Blick über den Tellerrand, zeigt sich wieder einmal: Unser westliches Schönheitsideal ist nicht das Maß der Dinge. Während man hierzulande ausgedehnte Ohrlöcher als abstoßend empfindet, gelten sie in anderen Kulturen als schick und sind damit durchaus erwünscht.
Zwischen Individualität und Status
Es ist unmöglich, auf alle Besonderheiten der vorgestellten Regionen im Detail einzugehen, auf einige markante Besonderheiten hingegen wollen wir nicht verzichten. Hier ausgewählte »Highlights« verdeutlichen die Bedeutung des Ohrschmucks zwischen Nordafrika und Asien. Schließlich kann sich der Besucher nicht nur Schmuck ansehen, er wird mit einem Begleitheft mit viel Hintergrund-Information zur Ausstellung versorgt.
Ohrschmuck in Nordafrika…
Andere Länder, andere Sitten: Es ist nachweisbar, dass eine Frau in Algerien früher 8 verschiedene Ohrringe unterschiedlichsten Gewichtes getragen hat. Generell gibt es im Maghreb eine deutliche Unterscheidung zwischen ländlichem und städtischem Schmuck. Bevorzugten die Städter überwiegend Schmuck aus Gold und Halb-Edelsteinen, zog es die meist berberische Landbevölkerung vor, sich mit Silber in Szene zu setzen. Damit verbunden fanden unter anderem Materialien wie farbiges Glas, Korallen, künstlicher oder echter Bernstein Verwendung.
Schmuck galt darüber hinaus auch als geeignetes Medium, um seine Stammeszugehörigkeit zu demonstrieren. So tragen beispielsweise die auf rund 480 geschätzten Berberstämme in Marokko alle verschiedene Ohrring-Typen. Das Tragen von Einzel-Ohrringen ist im Übrigen in dieser Gegend unbekannt.
… oder in China
In China standen früher lange Ohren für Weisheit, im Falle des Philosophen Laotse sogar für Unsterblichkeit. Der Legende nach sollen Laotse´s Ohren 17.5 cm lang gewesen sein. Typisch für chinesischen Schmuck ist seine äußerst filigrane Art.
In der Mongolei ist es im Gegensatz zu China durchaus üblich, dass junge Mädchen und Männer Einzel-Ohrringe tragen. Verheiratete Frauen hingegen erkennt man daran, dass beide Ohren geschmückt sind.
Zentralasien
Die Geburt eines Kindes war in Usbekistan früher stets mit dem Brauch verbunden, bei den Müttern von sieben Großfamilien Silberreste zu sammeln, die man einschmolz und zu Ohrringen verarbeitete. Das Kind trug diesen Schmuck dann bis zu seiner Verheiratung.
Indischer Subkontinent
In Indien ist der Ohrpflock die heimische Ohrschmuckform. Erst später kamen hier – unter westlichem Einfluss – Bügelohrringe auf. An allen indischen Skulpturen sind die Ohren der Statuen geschmückt, verziert mit großen Ohrscheiben, Pflöcken oder Ringen. Die Ohrläppchen sind dementsprechend deutlich erweitert.
Wenn eine Frau ihre Ohrringe nicht trägt, verwendet sie kleine Stöckchen, um die Ohrlöcher offen zu halten. Daraus entwickelte sich eine ungeheure Formvielfalt an Steckern für das obere Ohr. Neben Pflanzen erfreuen sich Schlangenmotive in Indien großer Beliebtheit. Vorbild für derartige Ohrringvarianten ist die Königscobra. Sie ist die einzige Schlange, die ein Nest baut. Schlangen werden geehrt wie gefürchtet, es gibt zahlreiche mythologische Bedeutungen, die man mit ihnen verknüpft. Unter anderem symbolisiert die Schlange ewige Jugend, da sie sich durch das Abwerfen ihrer Haut immer wieder zu erneuern versteht.
Eine Besonderheit in Indien ist die enge Verknüpfung zwischen Ohrring-Typ und der zugehörigen Kaste. So sind die Ohrringe, die eine indische Frau trägt, durch ihre Kaste vorgegeben, die demonstrierte Zugehörigkeit vermittelt der Frau zugleich Schutz und Sicherheit. Inzwischen ist jedoch auch in Indien ein Wandel zu beobachten: Frauen, die sich fortschrittlich, den Traditionen nur wenig verhaftet fühlen, ziehen modernen, industriell gefertigten Schmuck vor. Wurde früher noch individuell in Absprache mit dem Goldschmied Ohrschmuck für eine Frau hergestellt, ist es jetzt industrielle Massenware. Damit wird die Funktion des Ohrschmuckes als äußeres Zeichen einer Gruppenzugehörigkeit nun ins Gegenteil verkehrt – als Ausdruck von Individualität.
Oft werden die Ohrringe auch an den Akupunkturpunkten gestochen und in einigen Kulturen sollte das Ohr mit Schmuck verschlossen werden, um es entsprechend zu schützen.
Der sogenannte »Beamten-Ohrring« hingegen zeigte jedem, dass man mit dem Gegenüber mit Bedacht umgehen sollte. In diesem Fall dient der Ohrring als eine Art Ausweis.
Zu danken haben wir Frau Dr. Margareta Pavaloi für die freundliche Einführung und Detailinformation. Die Ausstellung ist noch bis zum 29. Mai im Völkerkundemuseum Heidelberg, Hauptstraße 235, zu sehen.
Autorin: Claudia Pukat