Eine Wildsau besuchte Hörgeräte-Akustiker (To be Insider in 7 Minute n)

Wildsau sucht Hörgerät

Ein wild gewordenes Wildschwein ist in Mosbach durch die Innenstadt geirrt, bevor es in einem Geschäft erlegt werden konnte. Das 90 Kilogramm schwere Tier war aus dem nahe gelegenen Wald in die Stadt gelaufen und dann vor Aufregung in der ungewohnten Umgebung durch die Schaufensterscheibe eines Hörgerätegeschäfts gesprungen. Weil sich das Wildschwein danach sehr aggressiv aufführte, wurde es von einem Jäger erschossen. Bereits Mitte Februar war ein Wildschwein in der Sinsheimer Innenstadt erschossen worden, nachdem es durch die Straßen geirrt war und ein Bekleidungsgeschäft durchwühlt hatte.

Wäre es der 1. April und nicht der 4. gewesen, hätte man die Mitteilung »Wildsau sucht Hörgerät« in der lokalen Zeitung als Aprilscherz abgetan. Doch so unglaublich sich diese Geschichte anhört, so wahr ist sie. Und war für uns natürlich Grund genug, der Sache nachzugehen…
Mit viel Humor berichtet uns Andreas Beuchert, einer der Inhaber von Hörgeräte-Akustik Beuchert aus Mosbach, folgendes Ereignis:

Es war ein schöner sonniger Sonntagnachmittag, dieser 3. April 2005, als gegen 13.30 Uhr eine Wildsau einen Passanten der Fußgängerzone im schönen Mosbach mit seinen Fachwerk-Häusern fast überrannte. Die Wildsau machte schreckhaft einen Satz in die Höhe und flog in hohem Bogen durch das Schaufenster (massive Doppelglas-Scheibe) des Hörgeräte-Akustiker – Kollegen Beuchert. Der Passant rief sofort den Hörgeräte-Akustiker zuhause an, um ihm das Ereignis mitzuteilen. Auch die Nachbarn des Hauses, die im oberen Stock wohnen, sind sofort auf die Straße geeilt, da sie einen lauten Knall vernahmen und dachten, im Geschäft sei etwas explodiert. Um keine Zeit zu verlieren, rief Beuchert bei der Polizei an, die schon unterrichtet war und ihm mitteilte, dass Kollegen schon auf dem Wege seien.

Als Beuchert vor seinem Geschäft eintrifft, stehen die Polizisten mit Maschinenpistolen vor der Eingangstüre. Das höchst ungewöhnliche Ereignis hatte sich mit Windeseile herumgesprochen, sodass sich vor seinem Geschäft eine Menschentraube angesammelt hatte. Zur Sicherheit der Passanten wurde vor dem Geschäft weiträumig abgesperrt. Währenddessen tobte und polterte das aufgebrachte Wildschwein im Geschäft herum und verlor viel Blut, denn bei dem Sprung durchs Fenster hatte es sich stark verletzt. Seltsamerweise war das Loch in der Fensterscheibe zu klein als dass sich das Wildschwein wieder befreien konnte.

30 Minuten nach Beginn des Spektakels erscheinen drei Jäger, um das Tier zu erlegen. Mit einem Kopfschuss (sagt man dazu in Jägerkreisen »Blattschuss«?) war für das Tier alles schnell vorbei. Nun ja, für das Wildschwein und die neugierige Menschentraube. Für den Kollegen aber begannen jetzt eigentlich erst Aufregung und Arbeit.

Schon am Anfang unseres Telefonats erzählt Beuchert schmunzelnd: »Hier riecht es nach Wildschwein«, doch zum Gestank kam nun auch noch die Putzarbeit hinzu. Nach genauerem Betrachten der »Schweinerei« entdeckte Beuchert, dass er Glück im Unglück gehabt hatte, denn die teuren Geräte wurden nicht zerstört. Demoliert wurde aber die Theke, sie stand in der Nähe des Schaufensters und das Wildschwein muss dagegen geprallt sein, da diese um einen halben Meter verrückt worden war. Die Wände mussten, weil blutbespritzt, neu gestrichen werden, und auch der Teppichboden war ruiniert, musste erneuert werden.

Bei der Obduktion des erlegten Tieres stellte sich heraus, dass es sich um ein weibliches Wildschwein, also eine Wildsau, handelte, die trächtig war. Acht Frischlinge hätte sie in naher Zukunft geboren, Ihr Gewicht war 90 kg. Und die Größe des kapitalen Wildes betrug imponierende 90 cm auf 80 cm. Das Loch in der Scheibe, das sie hinterließ, maß aber nur 40 x 40 cm, das Tier muss in seiner Panik sehr gestreckt durch die Scheibe geflogen sein. Das Alter der Wildsau schätzten die Experten auf ungefähr 6 Jahre.

Warum das Tier so aufgebracht in der Mosbacher Innenstadt erschienen ist, blieb unerklärlich – zwar ist der Wald in der Nähe, doch waren einige Hürden zu bewältigen, es muss über einen Hang gekommen sein, überquerte die Elsbach und passierte Bahnschienen – erst dann gelangte sie in die Innenstadt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Wildsau im Wald von einem streunenden Hund aufgeschreckt und gejagt worden war.

Mit gewissem Galgenhumor erzählte uns Andreas Beuchert, dass er ein Brett vor das Loch in der Scheibe genagelt hat und möchte es noch, bis es repariert wird, mit »Wildschweinklappe« beschriften. Folgender Werbeslogan ist ihm sofort eingefallen: »Auch in den Wäldern hat es sich herumgesprochen – seit 20 Jahren schwört man auf Meister Beuchert Hörsysteme

Und die Moral von der Geschicht´? Es gibt in unserem Berufsstand nichts, was es nicht gibt!

Autorin: Anja Werner

P.S.: Ein besonderes Dankeschön dem Kollegen Beuchert, der uns bei der Recherche so liebenswürdig geholfen hat.