Pro Akustik – Kongress in Pforzheim (To be Insider in 20 Minute n)

Theorie und Praxis im Fokus

Am 2. und 3. April 2005 fand in Pforzheim die 6. Pro Akustik – Tagung statt. Tagungsort waren das CongressCentrum Pforzheim (CCP) sowie Räume des Parkhotels.

Am Samstagmorgen begrüßte Horst Böttcher die rund 325 Teilnehmer im Namen des Aufsichtsrates und der Geschäftsführung der Pro Akustik in Pforzheim zum 6. Kongress – nach Hannover, Stuttgart (Kick-off), Wetzlar, Nürnberg und Berlin und bedankte sich bei den Mitarbeitern der Firmen Hörgeräte Fiess und Miller für ihren Einsatz, dass der Kongress diesmal im nördlichen Schwarzwald stattfinden konnte.
In der Pro Akustik arbeiten heute 49 Unternehmen an 139 Standorten mit ca. 570 Mitarbeitern unter der gemeinsamen Fahne. Zusammen werden ca. 200´000 Kunden betreut. Die Pro Akustik ist am Gesamtmarkt mit knapp 8 % beteiligt.
Die »Grundsteinlegung« war 1993 in Mainz aus der Motivation gemeinsamer Werbeauftritte heraus und sehr schnell kam zusätzlich gemeinsame Fortbildung hinzu. Es folgten gemeinsamer Einkauf, weitere gemeinsame Fortbildung und Vergleich betriebswirtschaftlicher Zahlen.

Ende 1995 wurde die Pro Akustik – Hör-Akustiker GmbH & Co. KG in inrer heutigen Form gegründet mit dem damaligen und heutigen Geschäftsführer Martin Blecker, der tatkräftig durch sein Team unterstützt wird.
Mitte 1997 kam die Pro Akustik Hörsysteme Service und Fertigungs GmbH mit der Hörgeräte-Reparatur und dem Bau von ImOhr-Geräten in Leer dazu mit Ewald Karels und Lars Meine an der Spitze. Ein Leistungsvergleich im Jahr 2003 zeigte, dass neben der kostengünstigen Arbeit und der geringen Reklamationsrate insbesondere Schnelligkeit die Stärke der Pro Akustik Service- und Fertigungs-GmbH ist.

Im November 2000 entstand die NET-Akustik CE GmbH als unabhängiges Unternehmen, gegründet von Pro Akustik – Mitgliedern. Die Branchen-Software He@r-O wird mittlerweile von einer ganzen Reihe von Betrieben eingesetzt und erfreut sich auch außerhalb der Pro Akustik zunehmender Beliebtheit. Technologisch gehört He@r-O zu den Marktführern im Bereich der Hörakustik.

Böttcher stellte noch einmal das Ziel des Kongresses heraus – Wissen vermitteln, um damit die Position am Markt durch Leistung für den Kunden weiter zu stärken und um die Pro Akustik bekannter zu machen.

Der Bürgermeister und Stadtrat der Stadt Pforzheim, Gert Hager, verantwortlich für die Bereiche Kultur, Soziales, Schule und Sport, begrüßte die Teilnehmer. Die Stadt Pforzheim, auch als »Goldstadt« an der Schwarzwald-Pforte bekannt, mit ihren ca. 120´000 Einwohnern ist weit über die Landesgrenzen hinaus für ihre Uhr- und Schmuckindustrie bekannt. Am 17. Juni werden auf einem 3´500 m großen Areal die Schmuckwelten eröffnet. Als internationales Zentrum für Schmuck und Uhren bieten die Schmuckwelten Pforzheim eine Plattform für alle Themen rund um Schmuck und Uhren.

In den Workshops des Kongresses konnten die Teilnehmer viel Neues aus der Hörgerätebranche und aus der Forschung erfahren.

So stellte Lars Löhr von GN ReSound in seinem Workshop die neue Software Aventa 1.9 vor. Die Teilnehmer führten ein Experiment zur Offenen Anpassung mit den ReSoundAIR™ Standard-Ohrpassstücken durch.
Bei der Live-Demonstration der neuen Aventa 1.9 wurden folgende Funktionen herausgestellt:

  • Aventa 1.9 ist auf einer völlig neuen Plattform geschaffen und wird alle Produkte der aktuellen Aventa 1.7 unterstützen
  • Einbindung neuer kundenbezogener Anwendungen (neuer MediaPlayer/ Hörverlust-Simulator)
  • Verbesserter/intuitiver Anpassverlauf
  • Demonstration der neuen virtuellen Programme für A/B-Vergleich
  • Binaurale Verlinkung

Die Workshop-Teilnehmer konnten die Software selber erfahren und jeden Schritt an mehreren bereitgestellten Laptops nachvollziehen.
Im Experiment »Die kleine Pforzheimer Rückkopplungs-Studie« (Offenes Anpassen mit dem ReSoundAIR™ Kuppel- bzw. Tulpen-Ohrpassstück) wurde der Nachweis der Steigerung des Rückkopplungs-freien Anpassbereichs mit dem Tulpen-Ohrpassstück gegenüber dem Kuppel-Ohrpassstück (durchschnittlich 5 dB) erbracht. Im Einzelfall wurden bis zu 10 dB zusätzliche Rückkopplungs-freie Verstärkung gemessen. Dabei wurden Einsatztiefe und die Standard-Ohrpassstücke variiert, um das Ergebnis der In situ – Rückkopplungs-Kalibrierung zu verbessern.

Dipl.-Psych. Christine Gebhardt von der Universität Freiburg erklärte in ihrem Workshop die Rolle des Gehirns beim Hören. Wir hören nicht mit den Ohren, sondern mit dem Gehirn. Das Gehirn passt sich dauernd an das an, was es an Erfahrungen sammelt. Das geschieht am Anfang schnell, später immer langsamer, aber ein Leben lang. Die auditive Information durchläuft von den Ohren zu den sprachverarbeitenden Hirnstrukturen einen komplexen Weg. Gut differenziertes Hören ist, neben anderen unerlässlichen Leistungen und Fähigkeiten, eine wesentliche Voraussetzung für das Sprachverständnis. Derzeit wird ein diagnostisches Verfahren und ein Training zur Überprüfung und Förderung der sprachfreien auditiven Differenzierungs-Fähigkeit für Schwerhörige entwickelt, dazu wird eine Studie in Zusammenarbeit mit Pro Akustik und der Uni Freiburg durchgeführt.

Zu Beginn des Workshops von Ralf Weig von der Firma Widex wurde ein Überblick über die Struktur der Anpass-Software Compass 3.6 gegeben und gleichzeitig die Navigation durch die Software erläutert. Danach hatten alle Teilnehmer die Möglichkeit, mit Compass praktisch zu arbeiten. Dazu standen Notebooks, Noahlink-Schnittstellen und Hörgeräte zur Verfügung. Im Wesentlichen wurde der Ablauf einer Anpassung und einer nachfolgenden Feinanpassung durchgespielt.

In einem 2. Workshop der Firma Widex micro-technic stellte Roland Häußel die Klangbeispiele »LifeSounds« bei gleichzeitiger grafischer Darstellung der Signalverarbeitung eines Senso Diva Hörsystems mithilfe des »SoundTrackers« vor. LifeSounds wurde entwickelt, um Geräusche und Hörsituationen mittels eines kalibrierten Lautsprechersystems realitätsnah zu präsentieren. Es liefert wichtige Erkenntnisse bei der Beurteilung der Anpassung oder bei der Feinanpassung der Hörsystem-Einstellung. Außerdem kann LifeSounds helfen, die Funktionalität unterschiedlicher Hörsysteme bereits in der Anpasskabine eindrucksvoll zu demonstrieren.
Das LifeSounds-Modul wird auf dem Computer installiert und beinhaltet ein umfangreiches Schallarchiv sowie einen vollständigen Kalibriervorgang für den Einsatz mit einem oder zwei Lautsprechern. Die Kalibrierung wird im Freifeld für alle Schallpegel durchgeführt, einschließlich eines Frequenzausgleichs über alle Frequenzen.
Beim Kalibriervorgang kommt ein Senso Diva – Hörsystem als integrierter Schallpegelmesser zum Einsatz.
Durch Setup und Kalibrierung des Systems wird sichergestellt, dass Sprache und Hörumgebungen immer so am Hörgerätemikrofon ankommen, dass sie mit den natürlichen Pegeln, mit denen sie aufgenommen wurden, wiedergegeben werden.
In Verbindung mit der grafischen Unterstützung des SoundTrackers, der bereits in der Anpass-Software integriert ist, liefert dieses System hilfreiche Informationen bei sämtlichen Schritten einer Hörsystem-Anpassung, von der anfänglichen Beratung über die Demonstration, Anpassung und Verifikation bis hin zur Feinanpassung.

Im Workshop von Bert van Beek (Firma Alpine, Soesterberg, NL) ging es um angepassten Gehörschutz für Industrie- und Privatmärkte. Grundsätzlich ist zwischen Standard-Gehörschützern und individuell angepassten Varianten zu unterscheiden. Die individuellen sind sowohl in harten, als auch in weichen Ausführungen zu erhalten. Der jeweilige Filtertyp wird der Lärmsituation angepasst. Zwei große Märkte gilt es zu unterscheiden:

Der Privatmarkt ist sehr groß und stetig wachsend. Als Kundenkreis werden Musiker, Motorradfahrer, Menschen mit Schlafstörungen, sowie Reisende und Schwimmer gesehen.
Im deutschen Industriemarkt arbeiten 5´000´000 Menschen in lärmvoller Umgebung. Bereits ab 85 dB ist laut Gesetzgeber ein Gehörschutz zur Verfügung zu stellen. Weniger als 50% dieser Menschen tragen Gehörschutz, wodurch nicht nur die Gefahr von Betriebsunfällen sondern vor allem auch die von Hörschäden auf Dauer drastisch erhöht.
Durch den Einsatz von Lärmfiltern ist es möglich, störende Geräusche zu unterdrücken. Bei gleichzeitigem Erhalt der Sprachtransparenz kommt es zu einer höheren Akzeptanz durch mehr Tragekomfort.

Andreas Kahlen von Martin Blecker Hörsysteme und Gert Espig von Hörgeräte Espig stellten in ihrem Workshop deutlich heraus, dass nach der Vorprogrammierung über die Fitting Module der Hersteller die Hörgeräte zwingend mittels Messsystemen zu kontrollieren und in der Regel nachzujustieren sind. Auf die Frequenz und Dynamikanpassung kann nicht verzichtet werden. Misst man Hörgeräte nach, so kann regelmäßig festgestellt werden, dass die Einstellungen in Bezug auf die Fittingmodule in der Regel deutlich optimiert werden können, was am Ende einen zufriedeneren Kunden und ein besseres Ergebnis ermöglicht. Es ist sicherlich besser, mit einer älteren Messanlage zu messen als gar nicht zu messen. An verschiedenen Stationen wurden z.B. an der ACAM 5®-Messanlage digitale Hörgeräte eingestellt.

Im Workshop von Manfred Fiess der Firma NET-Akustik wurde der Schwerpunkt auf die beleglose Abrechnung mit den Krankenkassen, die in der Branchensoftware He@r-O in wenigen Wochen realisiert ist, gelegt. Angesprochen wurde auch die Neuerung z.B. Möglichkeiten zur Eingabe von im kommenden He@r-O Release, wie Otoplastik- und Zubehör-Reparaturen.

Nach Ende der Workshops stand der Besuch des schmuckmuseums pforzheim im reuchlinhaus bzw. alternativ der Besuch des Technischen Museums der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie an. Die netten und kompetenten Damen und Herren vor Ort führten die Teilnehmer mit Begeisterung durch die beiden Museen und manch einer kam mit einem Schmuckstück wieder zurück ins Hotel.

Dort erwartete uns ein festlich geschmückter Saal mit reichlichem Büffetangebot, das musikalisch mit rockigen Tönen Johann Sebastian Bach´s und komödiantenhaft durch »®DJ SCHORSCH« untermalt wurde.
Der Abend klang mit guten Gesprächen und fetziger Musik einer weiteren Live-Band aus.

Am Sonntag ging es – wie jedes Jahr – wieder um 9 Uhr mit Vorträgen weiter.

Als erster externer Referent eröffnete der Haupt-Geschäftsführer der Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha), Jakob Stephan Baschab, die Vortragsreihe. Er berichtete sehr ausführlich über die Entwicklungen und Strategien im Hörakustik-Markt. Nachdem er die letzten 40 Jahre Marktentwicklung Revue passieren ließ, konzentrierte er sich auf die Strategien in den Bereichen Berufs– und Krankenkassen-Politik, Marketing, Qualität, Bildung und Europa. Er machte deutlich, dass Einzelkämpfer in der Branche Strukturen nicht verändern oder verbessern können und daher eine hohe Notwendigkeit für einheitliche Maßnahmen und Organisationen besteht. Sein Referat beendete er mit der Bitte, den Berufsstand noch stärker mit einer Stimme sprechen zu lassen und das Ehrenamt zu unterstützen. Auch rührte er die Werbetrommel für ein weiteres finanzielles Engagement der Betriebe in der Bundesinnung.

Dipl.-Psych. Christine Gebhardt beschrieb in ihrem Vortrag das Gehör als einen der am höchsten entwickelten Sinne des Menschen. Durch seine psycho-physiologischen und psycho-sozialen Funktionen hat es eine fundamentale Bedeutung in der Lebensanpassung. Das Verhalten richtet sich wesentlich nach akustischen Informationen. Bei einer Hörbeeinträchtigung können diese Informationen nicht wahrgenommen oder erkannt werden. Der Eintritt der Schwerhörigkeit kann als ein typisches Verlustereignis oder kritisches Lebensereignis betrachtet werden.
Viele Betroffene fühlen sich dann in ihrer Kommunikation eingeschränkt und ziehen sich aus ihrem gewohnten sozialen Beziehungsnetz zurück. Aktivitäten im Alltag und die mit Interaktionen verbundenen positiven Gefühle nehmen ab. Umfangreiche Studien belegen, dass Inaktivität und »Psychische Labilität« zu einer erhöhten Anfälligkeit für Depressionen führen.

Anschließend folgte der Vortrag von Prof. Dr. Eckhard Hoffmann von der Hochschule Aalen, Studiengang Augenoptik und Hörakustik. »Bitte draußen bleiben!« Vor manch einem Hörakustikgeschäft hängt (unsichtbar) dieses Schild. Die Hemmschwelle, einen Hörakustik-Laden zu betreten, ist für viele Schwerhörige sehr hoch. Sie meinen, mit Hörgerät alt auszusehen, haben aus dem Freundeskreis gehört, dass Hörgeräte nicht viel helfen, dafür aber viel kosten würden und wissen nicht, was sie im Laden erwartet. Unattraktive Schaufenster mit Lamellenvorhängen, eine abweisende Ladentüre und die Gestaltung des Innenraumes verstärken manchmal noch den abweisenden Eindruck. Jeder Ladeninhaber sollte sich daher einmal fragen, ob er gerne als Kunde seinen Laden betreten würde. Eine kritische Reflektion eigener Einkaufserlebnisse lässt die Mitarbeiter schnell erkennen, wie der Umgang mit dem Kunden gestaltet werden sollte. Wenn Verkäufer nur am privaten Gespräch interessiert sind und einen Kunden dafür warten lassen, wenn man sich als Käufer nicht ernst genommen fühlt, wenn das Warenangebot unübersichtlich und ohne Preisauszeichnung ist … das alles sind Punkte, die einen selbst in Geschäften ärgern. Sollte es da dem eigenen Kunden im Hörakustik-Geschäft anders gehen? Ein Werbefachmann aus Philadelphia charakterisierte vor rund 80 Jahren die Verkaufssituation sehr treffend:

Verkaufen Sie ihnen, wonach sie sich sehnen, was sie erhoffen, worum es in ihren kühnsten Träumen geht. Menschen kaufen nicht, was sie brauchen. Sie kaufen Hoffnung – sie hoffen auf das, was Ihre Ware ihnen schenken wird.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ),
13.03.2005

Es reicht nicht, Hörgeräte zu verkaufen. Viel erfolgversprechender ist, Gutes Hören zu verkaufen. Es wird ein Gewinn an Lebensqualität verkauft: Der Schwerhörige bekommt durch das Hörsystem die Chance, wieder am Leben und der Kommunikation teilzunehmen.

Gegen 12.30 Uhr endete der 6. Pro Akustik – Kongress. Die Teilnehmer und die Organisatoren waren rundherum zufrieden mit der Veranstaltung, die auch wieder in diesem Jahr sehr gelungen war.

Autorin: Tanja Frühn

 

 

Autor: Thomas Keck

Thomas Keck ist durch seinen Beruf als Hörsystemakustiker bestens mit der Präzision und Sorgfalt vertraut, die sowohl für die technische Arbeit als auch für den direkten Kundenkontakt erforderlich sind. Sein Werdegang zeugt von einer kontinuierlichen Entwicklung und einem hohen Maß an Fachwissen, unterstrichen durch den Meisterbrief und die Selbstständigkeit. Er verfolgt seine Interessen mit Leidenschaft und widmet sich einer Vielzahl von Aktivitäten, von Musik über die Beschäftigung mit Oldtimern bis hin zur Werteschätzung der Bibel. Thomas bewundert Menschen, die in ihrem Feld Spitzenleistungen erbringen, wie diverse Musiker und Schauspieler. Dies deutet auf eine hohe Wertschätzung für Expertise und handwerkliches Können hin.

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