Was für viele als selbstverständlich angenommen wird, ist oft in der Realität anders. So geschehen bei der Erhebung von Handelsstatistiken und der damit verbundenen Zuordnung von Hörgeräte-Akustikern.
Nach dem Handels- und DienstleistungsStatistik – Gesetz (HdlDlStatG) können Unternehmen von den Statistischen Ämtern zur Offenlegung ihrer Umsatz- und Kosten-Strukturen gezwungen werden, um verlässliche Daten für eine Handelsstatistik zu erlangen.
In diesem Verfahren werden alle Wirtschaftsbereiche einer bestimmten Klassifikation zugeordnet. Maßgebend für die Zuordnung ist die Frage, ob der Unternehmens-Schwerpunkt der Hörgeräte-Akustiker im »Einzelhandel« oder in der »Herstellung» von Teilen für Hörsysteme liegt. Die Hörgeräte- Akustiker werden seit Jahrzehnten, wie auch die anderen Gesundheits-Handwerke, dem »Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln« zugeordnet. Im Rahmen der wirtschaftsystematischen Zuordnung der von Hörgeräte-Akustikern erbrachten Leistungen hatte schon vor vielen Jahren das Statistische Bundesamt (DESTATIS) darauf hingewiesen, dass Tätigkeiten, die die Beschaffenheit der Waren nicht verändern, den amtlichen Statistikbegriff »handelsübliche Manipulation« tragen. Und das ist für die Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha) nicht akzeptabel.
So hat sich die BIHA mit einer Petition an das Statistische Bundesamt und an das Statistische Amt der Europäischen Union (eurostat) gewandt. Als gefahrengeneigter Meisterberuf und als Sonderanfertiger kann unser Berufsstand nicht als »Händler« in den statistischen Archiven sein Dasein fristen. Dies würde weder dem hohen Leistungsanspruch, noch dem Berufsbild des Hörgeräte-Akustikers gerecht werden.
Leider wurde uns unmissverständlich mitgeteilt, dass es für die Zuordnung grundsätzlich nur auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit und nicht auf die laut Berufsbild oder Ausbildungs-Ordnung zu beherrschenden Fertigkeiten ankommt. Die Tatsache, ob die zu klassifizierende Tätigkeit von einem Voll-Handwerker oder Sonderanfertiger nach MedizinProdukteGesetz (MPG) ausgeübt wird oder nicht, spiele ebenfalls keine Rolle.
Bei all den statistisch-bürokratischen Formalien konnte nur noch ein persönlicher Termin beim Statistischen Bundesamt weiterhelfen, bei dem seinen Vertretern ausführlich dargelegt wurde, was die tatsächlichen Tätigkeiten eines Hörgeräte-Akustikers sind. Im Nachgang zu diesem sehr intensiven und konstruktiven Gespräch teilte uns nun das Statistische Bundesamt mit, dass die Anpassleistungen deutscher Hörgeräte-Akustiker unbestritten sind. Weiterhin wurde uns mitgeteilt, dass von der bisherigen ausschließlichen nationalen Klassifikation der Hörgeräte-Akustiker in den »manipulativen Handel« Abstand genommen wird. So ist das Statistische Bundesamt zu der Erkenntnis gelangt, dass Hörgeräte-Akustiker in größerem Umfang selbst Teile für Hörsysteme herstellen! »Hierzu zählen insbesondere Otoplastiken, Schallzuführungen an das Trommelfell und IdO-Hohlschalen, aber wohl auch Auflageplastiken (Unterfütterungen, Formteile), Gehörschutz und Teile für Hörbrillen. Als ›Hilfstätigkeiten‹ eingeschlossen sind die in diesem Zusammenhang erforderlichen Ohrabformungen«. Diese Tätigkeiten werden zukünftig als »Herstellung von Waren« im Sinne des Verarbeitenden Gewerbes klassifiziert.
Auch bei diesem Verfahren ist sehr deutlich geworden, wie unbekannt vielen Behörden unsere Tätigkeit ist und wie bedeutsam eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit für unseren Berufsstand und unsere Tätigkeit ist.
Während des Gesprächs mit den Vertretern des Statistischen Bundesamtes wurde ebenfalls die Möglichkeit erörtert, die Tätigkeit von Hörgeräte-Akustikern insgesamt in die europäische Klassifikation »Gesundheitswesen« umzusetzen. Für eine Revision der europäischen Klassifikation war es schon zu spät, da inzwischen die Arbeiten auf internationaler Ebene abgeschlossen waren. Für eine nächste Revision empfahl man uns, frühzeitig tätig zu werden, wobei sich der Zeithorizont auf ein bis zwei Jahrzehnte beziehe.
Der berufspolitische (Teil-)Erfolg wird allerdings nicht dazu führen, dass sich Hörgeräte-Akustiker dem Verfahren zur Heranziehung einer Handelsstatistik entziehen können. Diese bleibt eine staatsbürgerliche Pflicht. Abgrenzen sollten dann allerdings die Betriebe ihre Kenndaten hinsichtlich »Handel« und »Herstellung«, um nicht weiterhin ausschließlich als statistische Händler zu gelten.
Autor: Jakob Stephan Baschab