Viele Wege sollen zur musikalischen Erfüllung führen
Dem individuellen Horgeschmack auf der Spur
Schon John Miles sang »Music was my first love, and it will be my last«. Welche Art von Musik letztlich unser Herz erwärmt, ist wiederum eine ganz andere Sache. Während sich zu den Klängen von »Ernst Hutter & die Egerländer – das Original« ganze Bierbank-Belegschaften schunkelnd in den Armen liegen, dreht sich anderen bei dieser Beschallung der Magen um. Und Oma Käthe mag zwar »Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren« haben, nicht aber vor den Darbietungen von »AC/DC«.
Der Musik wohnt fraglos ein gewisser Zauber inne. Sie erreicht unsere Gefühle auf direktem Weg, sie kann Wohlbefinden ebenso wie Abwehr erzeugen.
In die Wiege gelegt
Untersuchungen der Hirnforschung zeigten, dass wir musiklauschend unbewusste Erwartungen hegen, wie die nächste Tonfolge weitergehen könnte. Wird diesen Erwartungen entsprochen, empfinden wir das als erfüllend. Ebenso kann es uns entzücken, wenn die Melodie eine überraschende Wendung nimmt.
Der Genuss beim Musik hören liegt also im Wechselspiel zwischen Erwartungshaltung und deren Erfüllung. Psychologisch hat dieses Phänomen seinen Ursprung im Säuglingsalter – schließlich ist der Singsang der Mutter die erste Melodie, die wir vernehmen.
Oft lauschen wir unbewusst genau der Musik, die unserer Stimmung oder der jeweiligen Situation am besten entspricht. Um auszuwählen, was behagt, bedient man entweder den Sendersuchlauf des Radios oder kramt im heimischen CD- bzw. (ja, auch das gibt es wieder) Platten-Angebot. So hören wir doch meistens das, was wir schon kennen. Doch was tun, wenn der Geist nach Neuem dürstet, das Gehör sich nach angenehmer Abwechslung sehnt?
Nun wäre es ja ein marktwirtschaftliches Manko, wenn es für diesen Bedarf nicht auch eine Anbieterseite gäbe. Und tatsächlich haben sich findige Geister etwas einfallen lassen, um uns diesbezüglich helfend zur Seite zu stehen. Eine spezielle Musikempfehlungs-Software soll zur Entdeckung neuer musikalischer Horizonte beitragen.
Phononet [ein Unternehmen des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft e.V. (BVMI)] hatte zur Musikmesse Popkomm einen Wettbewerb mit vier Konkurrenten initiiert, die auf der Messe Berlin vorgestellt wurden. Die vier verschiedenen Musikempfehlungs-Programme wurden zwei Monate lang von Fachjournalisten und Online-Usern einer kritischen Prüfung unterzogen.
Zwischen Mathematik und Emotion
Die Musik spricht nicht die Leidenschaft, die Liebe, die Sehnsucht dieses oder jenes Individuums in dieser oder jener Lage aus, sondern die Leidenschaft, die Liebe, die Sehnsucht selbst.
Richard Wagner,
1813-1883
Die Software fahndet im Internet oder auf der Festplatte nach Titeln, die dem eigenen Musikgeschmack am nächsten kommen. Wer beispielweise einen Klick bei musicline.de wagte, konnte sogleich einen »Soundprofiler« ausprobieren.
Herzstück ist hier eine Musiktitel-Datenbank, auf der die jeweiligen Titel nach verschiedenen Kriterien aufgeschlüsselt sind. Die Kriterien beschreiben das Klangprofil, das sich aus den wesentlichen Eigenschaften eines Liedes zusammensetzt. Mithilfe eines mathematischen Algorithmus werden einzelne Eigenschaften errechnet, um eine maximale Ähnlichkeit der Titel zu ermitteln.
Doch ohne Input gibt es keinen Output: Denn zuerst gilt es, zu bestimmten Titeln eine individuelle Bewertung abzugeben, aus der sich schließlich das individuelle Klangprofil ermitteln lässt. Aus sämtlichen kalkulierten Ähnlichkeiten werden schließlich jene gefiltert, deren Klangprofile zum Geschmacksprofil passen. Zur Auswahl stehen verschiedene Genres. Unter anderem finden Musikliebhaber Vorschläge aus den Bereichen Rock, Klassik, Jazz und Black Music.
Diese rein mathematische Herangehensweise vertritt auch das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT) in Ilmenau. Die Software aus diesem Hause heißt SoundsLike und soll Musikexperten überflüssig machen.
Bei Hifind.com hingegen ist man emotionaler auf der Spur der Hörerwünsche. Hier wird die menschliche Komponente als Faktor in die Waagschale des Wettbewerbes geworfen. Musikjournalisten, Komponisten und geschulte Hörer sind Teil des viel zitierten Humankapitals. Man ist überzeugt, dass eine Maschine nicht die emotionale Dimension von Musik zu erfassen in der Lage ist. Aufgabe der Mitarbeiter von Hifind ist es deshalb, Musikstücke nach ihren wesentlichen Klassifikationen auseinander zu dividieren und entsprechend in neue Gruppen zu sortieren. Hier geht es um Stimmung, Tempo, Dynamik und das jeweilige Genre. Eine Aufgabe, die nach Aussage des Herstellers von keiner künstlichen Intelligenz gelöst werden kann.
Visionen
Natürlich sind alle Anbieter dieses noch in den Kinderschuhen steckenden Dienstleistungs-Gedankens nicht von reiner Menschenliebe beseelt. Auch hier muss das betriebswirtschaftliche Ergebnis überzeugen – was sich jedoch derzeit noch nicht vollkommen einschätzen lässt.
Die Grundidee ist eine Kooperation mit den Online-Musikläden. Schließlich werden diese, entgegen den Erwartungen von Kritikern, besser angenommen als erwartet. Immer mehr Nutzer laden sich Musik inzwischen auf legalem Weg und gegen kleine Münze aus dem Internet herunter.
Spuckt das Programm also einen Titel aus und er wird bei einem dieser Musikläden gekauft, ist eine Provision für die Suchmaschine vorgesehen.
Ob sich die Suchmaschinen letztlich durchsetzen werden, ist damit eine Frage ihrer Rentabilität. Diese wiederum wird nicht zuletzt vom Ergebnis abhängen, das dem Nutzer offeriert wird.
Auf der Musikmesse Popkomm jedenfalls wurde einem testenden Hip-Hopper hinsichtlich seiner möglichen Musikvorlieben doch tatsächlich David Hasselhoff vorgeschlagen – das haut nicht nur den stärksten Hip-Hopper um. Allerdings gab auch zufriedenstellende Ergebnisse: Fürs kleine zwischenmenschliche Tête-à-Tête zum Beispiel wurde unter anderem der zu flauschigen Tönen neigende Marvin Gaye ausgeworfen. Das klingt schon besser und lässt hoffen…
Und der Gewinner ist …
Inzwischen steht natürlich auch das Ergebnis des Wettbewerbs fest: Musiclens und Highfind wurden von 60’000 Online-Testern und drei Fachjournalisten zu den attraktivsten Musik-Empfehlungssystemen im Internet gekürt. Musiclens beeindruckte die Tester durch die vorgeschlagene Auswahl und die übersichtliche grafische Darreichungsform. Bei den Fachjournalisten lag hingegen Highfind an erster Stelle. Vor allem durch die große Auswahl und Repertoire-Tiefe mit rund 100’000 Musikstücken. Durch die Vielfalt lasse sich Musik sehr einfach nach dem eigenen Geschmack aussuchen. Auch die beiden Wettbewerber erhielten Lob.
Eine gute Ausgangsbasis, um entsprechende Geschäftskontakte zu potentiellen Partnern zu knüpfen. Man darf wohl annehmen, dass die Wettbewerbs-Teilnehmer das zu nutzen wissen.
Autorin: Claudia Pukat