»Ehrt Eure deutschen Meister…«
Ohne Ehrenamt erfriert unsere Gesellschaft.
Johannes Rau,
Bundestags-Präsident a. D.
Das bemerkte Johannes Rau bereits im Jahre 2001 im Rahmen einer Festrede. Tatsächlich arbeiten, so zeigt es die Statistik, rund 20 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland in Ehrenämtern. Auch in den Gewerken des deutschen Handwerks würde es ohne dieses unentgeltliche Engagement schlecht bestellt sein.
Die Handwerkskammer Rheinhessen würdigte am 27. Mai 2004 15 ehrenamtlich arbeitende Persönlichkeiten in den Meisterprüfungs-Gremien im Rahmen einer Feierstunde mit der Verleihung der Goldenen Anstecknadel, einem Präsent oder einer Kammermünze. Bei dieser Gelegenheit wurden zugleich ausscheidende Persönlichkeiten verabschiedet und die neuen Kommissionsmitglieder eingeführt, die auf 5 Jahre von der Aufsichts- und Dienstleistungs-Direktion in Trier bestellt wurden.
»Dienstbare« Geister in der Hörgeräte-Akustik
Die Akustiker-Branche ist nicht nur äußerst umtriebig; auch hier ist ein hohes ehrenamtliches Engagement in den Gesellen- und Meisterprüfungs- Ausschüssen zu verzeichnen. An erster Stelle zu nennen ist Herbert Bonsel (u.a. langfristig Koordinator des Ausbildungswesens für die Bundesinnung, im Planungs- und Koordinierungs-Ausschuss der Akademie aktiv, mitverantwortlich für die erste eigenständige Ausbildungs-Literatur des Berufstandes, die berühmte »Rote Mappe« etc. etc. – Red.), der durch sein 30-jähriges Mitwirken in den Meisterprüfungs-Ausschüssen mit einer Goldenen Anstecknadel ausgezeichnet und verabschiedet werden sollte. Leider war der langjährige Vorsitzende des Meisterprüfungs-Ausschusses zum Termin der Veranstaltung verhindert, aber – daran ließ Assessor Wiese von der Handwerkskammer Rheinhessen keinen Zweifel – man würde die Ehrung auf jeden Fall nachholen.
Die Nachfolge Bonsels tritt Kollege Karlveit Schmitt-Lieb an. Das Vergnügen, mit ihm bekannt zu werden, hatte die Chronistin schon vor Beginn der eigentlichen Feierstunde. Bei dieser Gelegenheit gab Schmitt-Lieb denn auch ein wenig »Butter bei die Fische«. Es war dabei zu erfahren, dass es sich beim Mainzer Meisterprüfungs-Ausschuss um den ältesten Prüfungs-Ausschuss der Branche handelt und dass dieser zuständig ist für Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig Holstein. In sein Aufgabengebiet fällt damit natürlich auch die Akademie in Lübeck.
Karlveit Schmitt-Lieb blickt nicht ohne eine gewisse Wehmut auf die Zusammenarbeit mit Herbert Bonsel zurück. »Er hat außerordentliche Impulse für die Branche gesetzt und vieles bewegt, dieses profunde Fachwissen werden wir keineswegs brach liegen lassen«, würdigte Schmitt-Lieb den geschätzten Kollegen. Bonsel wird als Ehrenvorsitzender des Ausschusses nach wie vor beratend zur Verfügung stehen. Ehrenamtliches Engagement scheint im Hause Bonsel in der Familie zu liegen – sein Sohn Harald wird künftig für seinen Vater im Prüfungswesen nachrücken.
Doch mit der Ehrung und dem Ausscheiden Bonsels und der Nachfolge Schmitt-Liebs ist es nicht genug der Veränderungen: So übernimmt die Nachfolge im Vorsitz des Meisterprüfungs-Ausschusses Christa Köttgen von Professor Dr. Peter Plath. Schmitt-Liebs Kommentar dazu: »Außer den Gesichtern ändert sich nichts, das heißt, wir werden uns nach wie vor für unsere Sache einsetzen.« Die Stellvertreterin für Schmitt-Lieb wird Esther Kruse aus Rothenhausen, Stellvertreter für Christa Köttgen ist Burkhard Stropahl aus Wedel. »Sie sehen also, die Gleichberechtigung haben wir voll gepflegt.«
Der Vollständigkeit halber sollen auch nicht diejenigen vergessen werden, die neben Herbert Bonsel und Karlveit Schmitt-Lieb von der Handwerkskammer geehrt wurden: Für ihre ehrenamtliche Mitarbeit seit mindestens 20 Jahren erhalten auch Christa Köttgen, Hartwig R. Buß aus Kiel und Henning Bruckhoff aus Hannover die Goldene Nadel der HWK und Burkhard Stropahl wird mit der Kammermünze geehrt. Sie alle werden diese Aufmerksamkeit der Handwerkskammer während der nächsten Prüfung vom 15. bis 18. Juli in Empfang nehmen dürfen. Wir gratulieren den also Geehrten herzlich und schließen uns den Glückwünschen der Branche an.
Respekt und Appell
Die Laudatio auf die Geehrten hielt Karl Josef Wirges, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. Er verwies auf eine der letzten Reden des scheidenden Bundespräsidenten Johannes Rau, die den Mangel an Vertrauen und Verantwortung in Deutschland thematisierte, damit einhergehend die Verdrossenheit, die das Handeln auf nahezu allen gesellschaftlichen Ebenen lähmt. Auch in den Innungen, Kreis-Handwerkerschaften, sowie in der Kammer werde es immer schwieriger, junge Handwerker:innen für ein Ehrenamt zu begeistern.
Doch schon Theodor Heuss habe gewusst:
Demokratie lebt vom Ehrenamt.
Theodor Heuss †
Bundespräsident
Was durch die Preisträger an geleisteter Arbeitszeit zusammenkomme, sei mit Geld nicht aufzuwiegen. Ganz zu schweigen vom Sach- und Fachverstand, der die Belange des Handwerks praxisnah und bedarfsgerecht zu vertreten verstehe.
Die Meisterprüfungs-Zahlen seien rückläufig. Vor dem gegenwärtigen politischen Hintergrund, und um diesem Missstand, entgegenzuwirken, entstand die bundesweite Meister – Image-Kampagne.
Mit dem Hinweis, dass ein Ehrenamt kein Amt auf Lebenszeit ist, es sich immer wieder selbst verjüngen muss, weil eine frühzeitige Einbindung in ein Ehrenamt wichtig wäre, gebietet es die Sache, den Stab von Zeit zu Zeit weiterzugeben und eine Zäsur vorzunehmen – auch wenn dies manchem sicher schwer falle.
Und während auf dem Weg zum lukullischen Genuss Geehrte und Nicht-Geehrte noch emsig durcheinanderwuselten, viele Hände geschüttelt, der eine oder andere gar beherzt umarmt wurde, bahnten sich zwei durchaus bekannte Herrschaften ihren Weg zu Karlveit Schmitt-Lieb: BIOM Marianne Frickel und Stephan Jakob Baschab. Sie ließen es sich nicht nehmen, ihm ihre Aufwartung zu machen und herzlich zur Ehrung zu gratulieren. Man hatte sich, so verlautete es vertraulich, schon am Nachmittag gesehen und einige fruchtbare Gespräche geführt. Und fanden sich nun in bester Stimmung »honoris causa« wieder.
Autor: Claudia Pukat