Nachschlagewerk (To be Insider in 4 Minute n)

Peter Reuter, »Springer Lexikon Medizin«, Springer-Wissenschaftsverlag, Berlin · Heidelberg · New York, 2004, gebunden, 2´400 Seiten, 2´800 vierfarbige Abbildungen und Tabellen, 80´000 Stichwörter, ISBN 3-540- 20412-1, 29,95 €, 51 SFr. Erhältlich auch über den Buchvertrieb des Median-Verlages.

Dies ist ein rundum gelungenes Lexikon, gleichermaßen für Patienten, für medizinisches Assistenz-Personal wie auch für Ärzte zur Orientierung jenseits der Grenzen des eigenen Fachgebietes. Die 80´000 Stichwörter sind konsequent alphabetisch aufgeführt, ohne schwer verständliche Gruppierungen, hinter jedem Begriff findet sich die englische Übersetzung. Die Erläuterungstexte sind sorgfältig ausgeführt, abgesehen von einzelnen Trennfehlern (Sb »Probiose«) und Beugungsfehlern (Sb »HLA«). Durchgehend sind die Suchwörter klar in Silben gegliedert, schwierigere Pluralformen ergänzend angeführt. Konsequente Querverweise, farblich geschickt abgesetzt, dazu Hinweise auf andere Begriffe, welche die Erläuterung sinnvoll ergänzen, und schließlich rot abgesetzte Hinweise auf die 44 Essay´s erleichtern die Orientierung. Auch Eigennamen bekannter Mediziner sind mit kurzen biografischen Angaben enthalten, dabei bleiben allerdings die Auswahlkriterien unerfindlich.
Die 44 Essay´s renommierter Autoren über wichtige Einzelprobleme geben dem Lexikon ein enzyklopädisches Gesicht; sie beschäftigen sich z.B. mit Bakterien (Hahn), Glaukom (Grehn), Gentransfer und Gentherapie (Brand); das Essay von Prof. Dr. med. H. P. Zenner unter dem Titel »Hören / Auditives System« stellt auf 8 Seiten ein brillantes kleines Lehrbuch der Struktur und Funktion des Hörorgans dar.
Auch fast exotische Begriffe werden aufgeführt, so z.B. gut und ausreichend vollständig »Pneumocystis carinii«, die »Probiose«, die »Akupunktur«, der »Lathyrismus« (hier fehlt allerdings die Elastica-Degeneration als wichtigste Folge).
Es finden sich aber auch Schwächen: Den heute alltäglichen Begriff der »TCM« (Traditionellen Chinesischen Medizin) sucht man vergeblich. In der seitenlangen Aufzählung unter »Morbus« von »Morbus Addison« bis »Morbus Winiwarter-Buerger« sucht man den im Visitenjargon wohl am häufigsten verwendeten »Morbus Koch« ebenso vergeblich wie in dem hervorragenden Essay (Konietzko) über die Tuberkulose.
Die internationalen SI-Basiseinheiten sind nicht unter »SI« eingeordnet, sondern unter »SI-E«: Auffinden ist Glückssache. Ein Suchbegriff »Manuelle Medizin« fehlt ebenso wie der Begriff der »funktionellen Störung«, statt dessen gründet sich die schlicht falsche Erklärung unter »Chirotherapie« auf dem seit Jahrzehnten verlassenen Begriff der »Subluxation«. Auch die Erklärung zum heute selbst in Laienkreisen verbreiteten Begriff des »Tinnitus«, wortgleich unter »Ohrensausen«, ist äußerst dürftig und hilft nicht weiter. Trotz dieser kleinen und vereinzelten Schwächen ist das Lexikon ohne Einschränkung empfehlenswert als eine besonders aktuelle und verlässliche Orientierungsquelle. Die Ausstattung ist verlagstypisch erstklassig, der sehr stabile Einband für das hohe Gewicht des Buches unentbehrlich. Dabei ist der Preis äußerst günstig.

Autor: Prof. Dr. med. Klaus Seifert

 

 

Geglückte thematische Einführung (To be Insider in 5 Minute n)

Prof. H. Kuttruff »Akustik – Eine Einführung«, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, ISBN 3-7776-1244-8, 450 Seiten, gebunden, 98 €. Auch erhältlich im Buchvertrieb des Median-Verlages.

Es ist immer ein Glücksfall, wenn ein erfahrener akademischer Lehrer seine erprobte Vorlesung als Grundlage für ein Buch verwendet. Ein solcher Fall ist nun wieder eingetreten. Prof. Dr. rer. nat. Dr. E. h. Heinrich Kuttruff, emeritierter Professor für Technische Akustik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen University, hat ein einführendes Lehr- und Nachschlage-Buch über sein Fachgebiet geschrieben. Das klar und anschaulich geschriebene Werk ist didaktisch hervorragend aufgebaut. Die Grundlagen der Akustik werden umfassend behandelt, wie die folgende Auflistung der Hauptkapitel-Überschriften zeigt:

  1. Was ist Schall?
  2. Die akustischen Grundgleichungen
  3. Ebene Wellen
  4. Kugelwellen und Schallabstrahlung, Reflexion und Brechung, Beugung und Streuung
  5. Akustische Leitungen
  6. Schallfelder in geschlossenen Räumen
  7. Schallwellen in isotropen Festkörpern
  8. Musik und Sprache
  9. Das menschliche Gehör
  10. Raumakustik
  11. Bauakustik
  12. Grundzüge der Lärmbekämpfung
  13. Wasserschall und Ultraschall
  14. Elektroakustische Wandler
  15. Mikrophone
  16. Lautsprecher und andere elektroakustische Schallquellen
  17. Elektroakustische Schallübertragung

Während der 1. Teil des Buches also die theoretischen Grundlagen der Akustik legt, zeigt die 2. Hälfte einen klaren Anwendungsbezug. Hinsichtlich der Stoffauswahl ist z. B. erwähnenswert, dass Beugung und Streuung ausführlicher behandelt werden als es in deutschsprachigen Einführungs-Vorlesungen üblich ist. Andererseits werden die perzeptiven und physiologischen Aspekte der Akustik eher knapp diskutiert, hierzu gibt es allerdings an anderer Stelle geeignete deutschsprachige Einführungstexte, auf die in dem knappen, aber sorgfältig zusammengestellten Literaturverzeichnis auch hingewiesen wird.

Ein besonderes Kennzeichen der Darstellungsweise von Kuttruff – die wir schon aus seinen früheren Büchern kennen – ist, dass er theoretische Zusammenhänge nicht nur mathematisch formal, sondern immer auch in anschaulicher, aber dennoch sehr präziser Sprache darlegt. Der Leser wird dadurch nicht mit Mathematik überfrachtet, muss aber trotzdem nicht auf die notwendige Exaktheit der Darstellung verzichten. Das Buch ist dadurch auch für solche Leser gut lesbar, die keine akademische Ausbildung in Mathematik genossen haben. Dies ist für ein Einführungswerk ein außerordentlich positives Merkmal.

Das Werk kann somit allen empfohlen werden, die sich in die Wissenschaft von der Akustik und in ihre Anwendungsgebiete einarbeiten wollen oder ihre Kenntnisse hierzu auffrischen möchten. Als Leser kommen so zum Beispiel

  • Ingenieure,
  • Physiker,
  • Biologen,
  • Audiologen,
  • Musiker,
  • Tonmeister,
  • Umwelttechniker,
  • Kommunikations-Wissenschaftler,
  • Architekten und
  • Sound-Designer in Betracht.

Das Buch ist reich bebildert, mit einem ausführlichen Sachverzeichnis versehen, drucktechnisch hervorragend ausgestattet und solide gebunden. Sein nicht gerade geringer Verkaufspreis erscheint deshalb gerade noch angemessen. Da davon auszugehen ist, dass das Buch sich u.a. auch als vorlesungsbegleitendes Lehrbuch bewähren wird, sei dem Verlag geraten, bei Zeiten über eine weniger aufwendig ausgestattete, aber preiswertere »Textbook«-Version nachzudenken.

Autor: Jens Blauert

 

 

digital Wireless-CROS (To be Insider in <1 Minute)

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Die Wahl des Akustikers

 

 

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Herzlich Willkommen!

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Tanz mit Hörgeschädigten (To be Insider in 20 Minute n)

Hörgeschädigten-Pädagogik als Persönlichkeitsentwicklung

Tanz mit Hörgeschädigten – ein Weg zu neuem »Selbst-Bewusstsein« – Teil 1

Eine ganzheitliche Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit Hörschädigung verlangt nach vielfältigen Entwicklungsgebieten. Rhythmisch-musikalische und tänzerische Erziehung sollten daher wichtige Bestandteile des Lehrplans sein. Ihre multisensorische Ausrichtung fördert die Schüler:innen optimal und hilft ihnen bei der Entwicklung eines gesunden Körperbewusstseins. Rhythmusgefühl kann genauso gefördert werden wie Ausdrucksfähigkeit und Kreativität. Für die Unterrichtspraxis gibt es vielfältige Bewegungsmöglichkeiten, die die Kinder und Jugendlichen an den kreativen Tanz heranführen.
1. Einleitung

Seit vielen Jahren streiten sich Hörgeschädigten-Pädagogen um die Frage, welche Kommunikationsform für Kinder mit Hörbeeinträchtigung wohl am sinnvollsten ist. Die Diskussion kreist um Laut- oder Gebärdensprache.
Befürworter der letzteren sind der Meinung, ein »Verbot der Gebärden sei gleichzusetzen mit einer Abwertung des Menschen mit Hörschädigung, Verfechter der Lautsprache vertreten dagegen die Auffassung, nur Lautsprache könne den Hörgeschädigten tatsächlich in die Gesellschaft integrieren.

Doch dieser Frage möchte ich mich im vorliegenden Beitrag nicht widmen. Ganz ab von der Diskussion über Laut- oder Gebärdensprache wenden wir uns einem anderen Kommunikationsmedium zu:

Tanz ist eine Sprache, die jeder verstehen kann – ob normal hörend oder hörgeschädigt. Wir können unsere Gedanken, Gefühle und Erfahrungen mit Hilfe unseres Körpers als Instrument der Sprache ausdrücken. Und wir sind in der Lage, die Bewegungen anderer zu interpretieren.

Voraussetzung für jegliche Art von Kommunikation ist jedoch ein gemeinsamer Code, damit der »Empfänger« – um im Publizistik-Jargon zu sprechen – die »Message« des »Senders« entschlüsseln kann. Jede Sprache besteht aus einem komplexen System von Zeichen. Die »Zeichen« des Tanzes sind ebenso vielfältig wie unsere Bewegungsmöglichkeiten und sollen an Hand von so genannten Bewegungsqualitäten näher beschrieben werden. Wie drücke ich Sehnsucht aus? Welche Art von Bewegung symbolisiert Aggression? Und woher kommt eigentlich der Impuls für meine Bewegungen?

Tanz mit Hörgeschädigten ist nicht so absurd, wie es vielleicht im ersten Moment scheinen mag. Auch wenn Tanz in großem Maße mit Musik »zusammenspielt«, so gibt es mannigfache Wege, um Menschen trotz ihrer Hörbeeinträchtigung »zum Tanzen zu bringen«.
Auch darauf soll hier eingegangen werden. Doch beginnen wir zunächst mit einigen theoretischen Erklärungen zum Sinn und Zweck tanzpädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Hörschädigung.

2. Theoretische Hintergründe

2.1 Tanz als Therapie? Wie Tanz Schülerinnen und Schülern mit Hörschädigung helfen kann

Tanzen weckt die Lebensgeister. Wer tanzt, bewegt sich aus einem bestimmten Gefühl heraus. Er ist glücklich, traurig, vielleicht verliebt oder voller Sehnsucht. Durch Tanz lassen sich Gefühle zum Ausdruck bringen. Gerade Hörgeschädigte, deren lautsprachliche Entwicklung durch die eingeschränkte auditive Wahrnehmung gehemmt ist, können Tanz als Kommunikationsmedium für sich entdecken und es als weitere Verbindung zur Außenwelt verwenden. Schon Schiller´s Forderung beinhaltet den Kernpunkt des so genannten Ausdruckstanzes, denn »alles Innere [soll] veräußert und alles Äußere geformt [werden]«.
Die Hörschädigung spielt im folgenden Abschnitt eine untergeordnete Rolle – nicht, weil man sie etwa in den Hintergrund verdrängt, sondern weil sie bei der Schulung von Kreativität nebensächlich werden kann.

Ein Tanz entsteht meist aus einer Improvisation. Hierbei werden spontan Bewegungen erfunden. Der Tanzende probiert, versucht, experimentiert – und entdeckt. Eine Improvisation braucht einen Impuls von außen. Dieser muss aber nicht über Musik erfolgen, sondern man kann auch Bilder, Gedichte, Liedtexte oder Themen »vertanzen«. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Insofern haben Hörgeschädigte die Möglichkeit, auf visuelle Reize einzugehen oder sich von geschriebener Sprache, eigenen Erfahrungen und dergleichen inspirieren zu lassen, so dass sie nicht auf auditive Wahrnehmung angewiesen sind, um im und durch Tanz kreativ zu sein.

Die Schüler:innen sollen lernen, Inspirationen aufzugreifen und eigene Erfahrungen kreativ umzusetzen. Dies fördert nicht nur die Phantasie, es hilft auch bei der Bewältigung persönlicher Probleme. Indem man sich Gedanken macht, wie man ein bestimmtes Gefühl tänzerisch ausdrückt, wird es einem erst richtig klar. Vielleicht gewinnt man während der intensiven Beschäftigung mit dem Problemthema sogar neue Perspektiven, um dann besser mit einer Situation umgehen zu können. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und fördert die Identitäts-Entwicklung.

Der Körper fungiert also als tänzerisches Bewegungsinstrument. Dadurch wird die Wahrnehmung des eigenen Körpers und damit von sich selbst ermöglicht. Der Tanzende stößt an die Grenzen seiner Fähigkeiten und lernt seine Gedanken und Gefühle kennen. Wichtig zu betonen ist die Tatsache, dass es im kreativen Tanz kein Richtig oder Falsch gibt. Die Interpretation der verschiedenen Bewegungsimpulse ist subjektiv und hängt somit von individuellen Erfahrungen, Neigungen und Gefühlen ab. Technikschulung ist natürlich ebenfalls eine Komponente des Tanzes, steht jedoch hier nicht im Mittelpunkt. Besonders für Schüler:innen mit Hörschädigung ist es wichtig zu erkennen, dass jeder Mensch einzigartig ist. Ihre Hörbeeinträchtigung ist ein Merkmal ihrer Persönlichkeit, das sie in keiner Weise degradiert. Sie sind genauso wie Hörende in der Lage, die Tanzsprache zu verwenden – wenn nicht noch besser!

Gerade das Beispiel Tanz zeigt, dass Menschen mit Hörbeeinträchtigungen über eine stark ausgeprägte visuelle Wahrnehmungsfähigkeit verfügen, so dass sie sich Bewegungssequenzen sehr schnell merken können. Zudem sind sie durch die Verwendung der Gebärdensprache an eine Kommunikation über Bewegung gewöhnt.
Durch Tanz wird außerdem nicht nur die Selbst-, sondern auch die Fremdwahrnehmung geschult. Über Beobachtung und Analyse der Bewegungen anderer lernen die Schüler:innen, ihre eigenen Bewegungen realistisch einzuschätzen, zu beurteilen und dadurch zu verbessern. Zusätzlich lernen sie, konstruktive Kritik zu üben sowie selbst Kritik anzunehmen und bestenfalls umzusetzen.

Tanz vermittelt eine bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers. Diese Kontrolle hat positive Auswirkungen auf die Persönlichkeit des hörgeschädigten Menschen, denn:

Familarity with and control in body movement aids total development. Control of one’s own body can mean the beginning of self-control in general.

Aida Pisciotta, 1980

Wichtig für das Verständnis der Praxisbeispiele für den Tanz mit Hörgeschädigten ist die Beschäftigung mit den Grundlagen des Tanzes. Aus diesem Grund werde ich im Folgenden auf einen bedeutenden Tänzer, Tanzpädagogen und -Theoretiker eingehen und seine Erziehungs-Philosophie sowie seine Theorie der so genannten »Effort- Kontrolle« erläutern.

2.2 Rudolf von Laban – Vater des kreativen Tanzes und der »Antriebslehre«

2.2.1 Die Erziehungs-Philosophie Laban´s

Rudolf von Laban lebte von 1879 bis 1958. Er zählt zu den für die moderne Tanzerziehung bedeutendsten Figuren der Welt. Seine Arbeit ist grundlegend für die Beschäftigung mit dem Tanz und beeinflusst ihn in vielfältiger Weise.
Laban´s Tanzerziehung zeichnet sich durch sein starkes Interesse an Menschen und den engen Kontakt zu seinen Schüler:innen und Tänzer:innen aus. Seiner Meinung nach sind eine »echte Beziehung und Empathie« (Friedmann, 1989) zwischen Lehrer:in und Schüler:in sowie gegenseitiges Vertrauen notwendig, damit die erzieherischen Ziele erreicht werden können. Wie jeder Mensch brauchen natürlich auch Schüler:innen mit Hörschädigung eine feste Bezugsperson, die sie an den Tanz heranführt und sie in ihrem Entwicklungsprozess begleitet.

Laban gilt als »Quelle der Inspiration, [als] Genie der Bewegung«. Seine Vitalität, die Klarheit und Weite seiner Vision, seine Fähigkeit zur Improvisation sowie die Vielfalt seiner Ideen und Bewegungsübungen werden hoch gelobt. Er habe die »Gabe, die künstlerische Ausdrucksfähigkeit seiner Schüler:innen befreien zu können, sie zu befähigen, ihre eigenen Wurzeln zu finden, ihr eigenes Potenzial zu entdecken«. Gerade für Kinder mit Hörschädigung ist es wichtig zu merken, wie reichhaltig ihre inneren Ressourcen sind, auch wenn ihre schulischen Leistungen oftmals weit unter dem Niveau Hörender zurückbleiben. Das Gefühl des Versagens im Vergleich zu hörenden Schüler:innen kann durch Tanz zumindest teilweise kompensiert werden, denn:

To help overcome the insecurities failure causes, children need experiences, such as creative dance, in which success is intrinsic.

Aida Pisciotta, 1980

Laban´s pädagogisches Konzept sieht die Entwicklung von Selbstbeherrschung, von bewusster Wahrnehmung und Kreativität vor. Die Harmonie in der Gruppe wird bei ihm groß geschrieben, so dass seine Schüler von »Freude und Glücksgefühl« in seinem Unterricht sprechen. Er lehrt den Bewegungsausdruck allein, in Paaren und in großen Gruppen, wobei man sich wortlos zusammen durch den Raum bewegt – vorwärts und rückwärts, hoch und tief, eng und weit, gebunden und frei, schnell und langsam, etc. Hierauf komme ich später noch einmal zu sprechen.
Laban´s Grundprinzip besteht in der erzieherischen Kraft der Bewegung. Es herrscht das Ziel, »durch Bewegung das volle Potenzial jedes Menschen als einheitliches Ganzes zu entwickeln – Körper, Geist und Seele« (Friedmann, 1989). Zur Verdeutlichung füge ich folgendes Zitat ein, das den Kernpunkt seiner Philosophie einer sinnvollen Erziehung aufzeigt:

Das Ziel der Tanzerziehung ist, sich der eigenen Gefühle bewusst zu werden, den Fluss der spontanen Bewegung steuern zu lernen, Gleichgewichts-Sinn und Richtungsgefühl im Raum zu wecken […] und eine harmonische Persönlichkeit zu entwickeln.

Elly D. Friedmann, 1989

Da vestibuläre Reize bekanntlich durch das Gleichgewichts-Organ im Innenohr aufgenommen werden, kommt dem Erziehungsziel Laban´s, den Gleichgewichts-Sinn zu fördern, bei Hörgeschädigten eine besondere Bedeutung zu. Die Gleichgewichts-Wahrnehmung beeinflusst zudem die Bewegung und Aufrichtung des Menschen. Normalerweise kompensieren der taktile, visuelle und kinästhetische Wahrnehmungsbereich die Einschränkung in der auditiven Wahrnehmung, so dass auch bei Kindern mit Hörschädigung eine »normale« Bewegungsentwicklung stattfinden kann. Daher ist der multisensorische Ansatz ausgesprochen geeignet und – wie wir später sehen werden – durch Tanz wunderbar umzusetzen. Ist dieser Ausgleich der Hörbeeinträchtigung durch andere Sinnesbereiche nicht möglich, so entstehen gravierende Probleme in der Motorik. Insofern können »seh- und hörgeschädigte Kinder ihre Bewegungsmöglichkeiten durch die fehlenden Sinnesreize nicht voll entfalten […]. Ohne spezielle Maßnahmen bliebe das Kind bewegungsbehindert, obwohl seine Motorik intakt ist« (Shirley Day-Salmon, 2003).

In seinem Buch »Des Kindes Gymnastik und Tanz« geht Laban auf den natürlichen Bewegungsdrang jedes Kindes ein. Kindergarten- und Grundschul-Kinder haben viel Spaß daran, zu entdecken, was ihr Körper und die einzelnen Teile desselben alles können. Aida Pisciotta (1980) spricht in diesem Zusammenhang ganz treffend von einem »hunger for movement«. Dieser Bewegungsdrang und die Motivation für Sportunterricht nehmen im Laufe der Schulzeit ab. Man muss daher bei den Schüler:innen – wie zuvor erwähnt – die Fähigkeit fördern, die Qualität der eigenen Bewegungen und damit sich selbst zu beobachten. Nur so kann man das Bewegungsverhalten beeinflussen und Motivation erzeugen. Es ist demnach wichtig, dưrch Analyse eine Veränderung der Haltung und der Gewohnheiten herbeizuführen sowie Gewichtsverlagerung zu lernen. Dies führe zu einem »gesunden und schönen Körper«, zum Bewusstsein seiner selbst und zu »Glück und Erfüllung« (Friedmann, 1989), denn:

Die Hauptursache der Abwendung vom heiteren Weltbild der Kindheit ist eine seelische Trübung, und diese seelische Trübung ist im Großen und Ganzen das Resultat unserer unharmonischen Körperlichkeit.

Rudolf von Laban, 1926

Es lässt sich also festhalten, dass Bewegungserfahrung im Sportunterricht und besonders im Tanz wichtig ist, um die Bewegungen des eigenen Körpers und damit sich selbst bewusst wahrzunehmen – »Tanzen erfordert den ganzen lebendigen Menschen«.
Doch wie kann die Kreativität dieses ganzen Menschen zum Vorschein kommen? Tänzerische Erziehung muss sehr breit gefächert sein, damit das Kind ein möglichst großes Repertoire an Bewegungen erlernt. Nur auf der Grundlage vielfältiger Bewegungsmöglichkeiten kann es sein Potenzial voll ausschöpfen und im Tanz kreativ sein.

2.2.2 Die Antriebslehre

Im Tanz lenkt der Geist die Bewegung. Doch woher kommt dieser Impuls für die Bewegung? »Der Impuls, der unseren Nerven und Muskeln gegeben wird, welche die Gelenke unserer Gliedmaßen bewegen, entspringt inneren Antrieben.« (Laban, 1981). Aus diesem Ansatz hat Laban seine Theorie der Antriebslehre entwickelt, in der er den Einfluss des inneren Antriebs bzw. des Efforts auf die menschlichen Bewegungen untersucht:

Effort ist der innere Antrieb, der uns veranlasst und es uns ermöglicht, uns zweckmäßig und richtig zu bewegen.

Elly D. Friedmann, 1989

Antrieb bedeutet also Aufwendung bzw. innere Anstrengung, die unterteilt wird in solche geistiger, emotionaler und körperlicher Natur. Man kann über etwas nachdenken, emotional von etwas berührt sein oder physische Arbeit verrichten. Es leuchtet ein, dass es auch Kombinationen aus den 3 Komponenten gibt, dass demnach beispielsweise emotionale mit körperlicher Anstrengung einhergehen kann. Anders ausgedrückt: »An einem Antrieb ist die ganze Person beteiligt.« (Claude Perrottet, 1983), was uns wieder zu Laban´s Philosophie der »Einheit« des Menschen führt.

2.2.3 Die 4 Bewegungsfaktoren und ihre Bewegungselemente

Auf der Grundlage langer Studien und darauf basierender Erfahrungen mit Alltagsbewegungen erkannte Laban, dass sich jede menschliche Aktivität über die vier Faktoren Raum, Kraft, Zeit und Fluss charakterisieren lässt. Die Handlungen müssen nicht notwendigerweise alle Faktoren gleichermaßen beinhalten, sondern die Schwerpunkte verlagern sich von Bewegung zu Bewegung. Man kann demnach von unterschiedlichen Akzenten einer jeden Handlung sprechen. Diese können bewusst oder unbewusst gesetzt werden.

Infolgedessen sind die Antriebs-Aufwendungen jeweils von unterschiedlicher Energiequalität, d.h. man kann eine Bewegung mit starkem oder geringem Kraftaufwand ausführen, schnell oder langsam usw. Insofern steht auf der einen Seite die »ankämpfende« und auf der anderen Seite die »erspürende« innere Einstellung. Erstere ist mit einer sehr hohen Intensität an Bewegungsqualität verbunden, während diese bei letzterer niedriger ist.

Eine Bewegungsanalyse hilft uns, den Effort unserer Aktivität zu kontrollieren, was wiederum zu einem vertieften Bewusstsein unserer Handlungen führt. Das Wissen um die Qualität des Antriebs ermöglicht es, eine Aktion derart zu gestalten, dass sie beinahe mühelos erscheint. Man spricht in diesem Zusammenhang von der »Ökonomie des Efforts« (Friedmann 1989, 28). Das Verständnis unserer inneren Impulse ist also in vielen Situationen des täglichen Lebens nützlich, denn »Effort eröffnet einen neuen Weg zur Verbesserung körperlicher und geistiger Aktivitäten«.

2.2.4 Konsequenzen für den Unterricht – (Weiter-)Entwicklung der Persönlichkeit

Alle Aktionen werden von jedem Menschen individuell verschieden ausgeführt. Jeder Mensch hat im Normalfall in seinem Bewegungsrepertoire sowohl »ankämpfende« als auch »erspürende« Bewegungsformen. Trotzdem hat man Vorlieben für Bewegungen des einen oder des anderen Pol´s.

Ziel von Laban´s Erziehung ist die Entwicklung einer Bewegungsvielfalt und ihre Erweiterung. Daher ist es sinnvoll, in der tänzerischen Erziehung die Techniken mehrerer verschiedener Tanzstile kennen zu lernen und sie im wahrsten Sinne des Wortes »am eigenen Leibe zu erfahren«.

Dennoch geht es Laban nicht nur um die Vielfalt der Techniken der unterschiedlichen Richtungen im Tanz, sondern er betont immer wieder die Wichtigkeit der persönlichen Bindung zwischen den Personen, die sich miteinander bewegen, sowie die Individualität des Tanzenden. Erst diese Individualität ist es, die eine Bewegungsfolge persönlich und damit einzigartig macht. Sie kann nicht von jeder Person beliebig wiederholt werden, da sie die persönliche Handschrift des Tanzenden trägt.

Ein solcher Tanz hängt stark von der momentanen inneren Gemütsverfassung ab, um wieder auf die so oft erwähnte »Einheit« des Menschen zurück zu kommen. Wichtig bei jeder Art der tänzerischen Erziehung ist daher die »wohltuende Auswirkung der schöpferischen Tätigkeit des Tanzens auf die Persönlichkeit« (Laban, 1981). So kann Tanz dazu beitragen, dass wir unseren Körper bewusst wahrnehmen, ihn als wertvollen Teil unseres Ich´s begreifen und ihn einsetzen, um durch Tanz die in uns schlummernde Kreativität hervor zu locken, denn:

Das Glück liegt nicht in den Umständen, das Glück liegt in uns. Das Glück liegt in der Kraft, die wir in uns selbst gewinnen und erzielen können.

Rudolf von Laban, 1926

 

Autorin: Katrin Barthel
(Fortsetzung folgt)

Katrin Barthel ist unseren Lesern nicht unbekannt. Sie absolvierte in unserer Redaktion ein Praktikum und fiel bereits durch mehrere glänzend recherchierte und gut geschriebene Beiträge positiv auf. Kurz vor einem längeren Auslandsaufenthalt schrieb sie für uns diesen eine relevante Thematik einmal aus völlig anderer Perspektive beleuchtenden Artikel. Katrin Barthel studiert Deutsch und Sport für das Lehramt an Gymnasien an der Georg-August-Universität Göttingen.